Ist Mountainbiken umweltschädlicher als Wandern?

Bodenerosion, Störung der Wildtiere, Vegetationsverlust: dafür werden Mountainbiker verantwortlich gemacht. Doch sind wirklich allein die Mountainbiker an all dem Schuld? Und was ist mit den Wanderern? Ein Überblick des wissenschaftlichen Forschungsstands. 

„Ihr macht doch die Wege kaputt! Habt überhaupt keinen Respekt vor der Natur und scheucht die Tiere auf!“ Das sind Vorurteile, denen sich Mountainbiker hin und wieder stellen müssen. Wir sind die Bösen, die Lauten, die die Wege kaputt machen, die Grasnarbe abwetzen, Tiere in Angst und Schrecken versetzen und wie Verrückte durch den Wald jagen. Ja, Verrückte gibt es auch beim Mountainbiken. Wie wohl in jeder Sportart. Aber wir sind gar nicht mal die Bad Boys und Girls, die allein für die Zerschneidung der Berglandschaft verantwortlich sind. Da gehören immer mehrere dazu. Und so auch in unserem Fall. Neben Mountainbikern sind auch Wanderer für das Aufscheuchen von Wild und die Zerstörung der Wege verantwortlich. Was? Echt jetzt? Die Wanderer, die sich immer über die Mountainbiker aufregen? Ja, ganz genau. Und zu diesem Thema und wie sich das Mountainbiken auf Boden, Flora und Fauna auswirkt, hat das Mountainbike Tourismusforum Deutschland ein Paper herausgegeben. 

Im folgenden findest du die wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengefasst: 

1. Anlage des Weges – der schwerwiegendste Eingriff in den Naturraum

Der größte und auch schwerwiegendste Eingriff von wegegebundenen Sportarten wie Mountainbiken oder Wandern ist zunächst die Anlage des Weges. Allein in der Kernzone des Pfads sorgt hier Mountainbiken für einen Rückgang von Flora und Fauna von 80 Prozent und Wandern bis zu 81 Prozent (Flora) und 71 Prozent (Fauna) (vgl. Thurston & Reader, 2001). Nach einem Jahr hat sich dieser Einfluss wieder etwas relativiert, doch vor allem für Kriechtiere bleibt ein Weg ein teilweise unüberwindbares Hindernis, der zum Teil Lebensräume zerschneidet und sogar zur Isolation von Populationen führen kann (vgl. Mader, 1984). 

Mountainbiker auf felsigem Trail durch den mediterranen Wald
Mountainbiker: die Bad Boys der Outdoorsportler? ©Wild Recreation | Rider: Moritz Zimmermann

Auch hinsichtlich Freilegung des Bodens und daraus resultierender Erosion müssen sich Wanderer (23 Prozent) und Mountainbiker (30 Prozent) fast gleich verantwortlich fühlen. Dabei kommt es beim Mountainbike aber vor allem auf die Fahrweise an. Durch schlechte Fahrweise mit angezogener Hinterradbremse kann die verursachte Erosion deutlich stärker ausfallen. 

Besonders problematisch sind nach Goeft und Alder (2001) bei beiden Bergsportlern Abkürzungen. Das kann schon eine Umfahrung einer Spitzkehre oder einer Pfütze sein. Nach nur 50-maliger Nutzung benötigt Waldboden etwa 19 Monate, um zum ursprünglichen Zustand zurück zu kehren. In höheren Regionen noch viel länger. 

2. Störung von Wildtieren – vor allem in der Dämmerung ein Problem

Ein wichtiger Aspekt, der immer wieder bei der Umweltverträglichkeit von Mountainbiken diskutiert wird, ist die Störung von Wildtieren. Papouchis (2001) hat die Reaktionen von Wildtieren auf Freizeitsportler in Utah untersucht und herausgefunden, dass Wildtiere beispielsweise Mountainbiker schon ab einer Entfernung von 380 Meter wahrnehmen, während es bei Wanderern nur 190 Meter sind. Dadurch dass Wanderer erst so spät wahrgenommen werden und sie sich langsamer bewegen, fliehen Wildtiere deutlich länger. Sie reagieren deshalb auf Wanderer insgesamt zwölf Minuten und gerade einmal zwei auf Mountainbiker. Nur in sechs Prozent der Fälle flüchten Tiere vor Mountainbikern, dagegen in 60 Prozent vor Wanderern. 

Georgii (2001) und Ingold (2015) beobachten bei einer regelmäßigen Wiederholung der Störung und dem Ausbleiben von direkten Folgen eine Gewöhnung an die Störreize. Dabei werden die Tiere jedoch je nach Jahreszeit anfälliger für Störungen. Vor allem in der Dämmerung sind viele Tiere besonders gefährdet. Bei uns haben sich die Tiere an die vermehrte Nutzung der Natur tagsüber angepasst und ihre aktiven Phasen weitestgehend auf die Dämmerung und in die Nacht verschoben.  

Aktivitätsmuster (Verteilung der Aktivitätsschübe = schwarze Balken) weiblicher Rothirsche im Ammergebirge. 
Linkes Bild: Im tagsüber stark von Menschen frequentierten Talbereich ist die Aktivität weitestgehend in die Nacht verschoben. Rechtes Bild: In Bereichen ohne Anwesenheit von Menschen ist die Aktivität gleichmäßig über den Tag verteilt (Georgii, 2001).

Wenn in bestimmten Regionen jetzt Mountainbiker, oder auch Wanderer, vermehrt zu Nightrides oder auch Sonnenuntergangswanderungen aufbrechen, wird der aktive Zeitraum von Wildtieren weitereingeschränkt. Und auch der Lebensraum. Denn es konnte beobachtet werden, dass unter anderem Wild bestimmte hochfrequentierte Gebiete komplett meidet, dass aber auch Vögel in bestimmten Gebieten ihre Nester aufgegeben haben.

Hinzu kommt, dass Mountainbiken und Wandern in siedlungsnahen Gebieten und durch mildere Winter immer mehr zu Ganzjahresportarten werden. So haben die Tiere gerade in dieser sensiblen Zeit mit wenig Nahrung immer häufiger mit Stress durch uns Sportler zu kämpfen. Flüchten sie beispielsweise aufgrund eines Mountainbikers, kann das im Winter, wo sie auf jede Reserve achten müssen, weitreichende und katastrophale Konsequenzen haben. 

Mountainbikerin auf Trail in Nahaufnahme
Die Nutzung der Natur ändert sich, das bekommen vor allem Tiere zu spüren. Um ihnen trotzdem entsprechende Ruhezeiten zu gönnen, sollten wir uns an einige Spielregeln halten. ©Wild Recreation

3. Mountainbiken ist ein wegegebundener Sport

Einerseits ist es für die Natur gut, dass Mountainbiken ein Sport ist, der auf Wege angewiesen ist und diese auch in der Regel nicht verlässt. Allerdings kann das auch zu informellen Wegenetzen führen. Wie zum Beispiel den Isartrails im Süden von München. Sie liegen in einem Flora-Fauna-Habitat (FFH-Gebiet) in den empfindlichen Isarauen. Solche informellen Wegenetze wachsen unkontrolliert weiter und bringen vor allem für Wildtiere Unruhe in bisher ungestörte Gebiete. Durch eine sporadische Nutzung kann sich das Wild daran auch nicht so gut anpassen. 

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die meisten Quellen stammen immer noch aus dem angloamerikanischen Raum. Diese Räume sind relativ dünn besiedelt und deshalb nur teilweise mit Europa vergleichbar. Dennoch ist zu sehen, dass sich Mountainbiken und Wandern nicht allzu sehr voneinander unterscheidet. Eine Rolle spielt hier vor allem das Gewicht der Sportler, diese bringen ungefähr gleich viel auf die Waage. Und die Intensität mit welcher die Wege genutzt werden. Beim Mountainbiken ist es dennoch wichtig auf eine umweltverträgliche Fahrweise zu achten. Doch laut Deutschem Alpenverein haben zum Beispiel auch die Nutzung von Wanderstöcken signifikante Auswirkungen auf die Wanderwege und die Bodenerosion. So haben sich dadurch die Wanderwege in den letzten Jahren um bis zu 20 Zentimeter verbreitert. Die Auswirkungen des Mountainbikens erhöhen sich wenn schneller, unkontrollierter oder in nassem Gelände gefahren wird. E-Mountainbikes stellen die Natur außerdem vor Herausforderungen: Laut Naturpark Karwendel dringen so Sportler immer einfacher und schneller in Gebiete vor, so wie noch nie zuvor. Das schränkt den Lebensraum von Tieren weiter ein und auch durch den Trend Bike and Hike entstehen so immer neue Wege und Räume, in denen der Mensch aktiv ist. 

Was können Mountainbiker tun?

Es sind also gar nicht nur wir Mountainbiker, die Wildtiere stören oder für die Erosion der Böden verantwortlich sind. Aber damit wir uns das nicht vorhalten lassen müssen, können wir im Gelände darauf achten, noch umweltverträglicher unterwegs zu sein:

  1. Nur auf Wegen fahren
  2. Nicht in der Dämmerung fahren
  3. Freundlich und respektvoll mit Wanderern umgehen
  4. Nicht mit angezogener Hinterradbremse fahren
  5. Keine Abkürzungen nehmen
  6. Weitere Tipps zum nachhaltigen Mountainbiken 
Mountainbiker auf felsigem Trail
Grundsätzlich zeigen Forschungsergebnisse, dass Mountainbiken nicht schädlicher für die Umwelt ist als Wandern. ©Wild Recreation | Rider: Moritz Zimmermann

Quellen:

  • Deutscher Alpenverein (2018): Bergforum Mountainbike: „Bergsport Mountainbiken – konfliktfrei in die Zukunft“
  • Goeft, U,; Alder, J. (2001): Sustainable mountain biking: a case study from the southwest of Western Australia. Journal of Sustainable Tourism, 9/3, S. 193-211.
  • Georgii, B. (2001): Auswirkungen von Freizeitaktivitäten und Jagd auf Wildtiere. Laufener Seminarbeiträge, 1/10, S. 37-47.
  • Ingold, P. (2015): Freizeitaktivitäten und Wildtiere – Konflikte, Lösungen. Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern, Band 63, S. 76-98.
  • Mader, H.-J. (1984): Inselökologie – Erwartungen und Möglichkeiten. Laufener Seminarbeiträge, 7, S. 7-16.
  • Papouchis, C.M. et al. (2001): Responses of desert bighorn to increased human recreation. Journal of Wildlife Management, 65/3, S. 573-582.
  • Thurston, E.; Reader, R.J. (2001): Impacts of experimentally applied mountain biking and hiking on vegetation and soil of a deciduous forest. Environmental Management, 27/3, S. 397-409.

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2 Kommentare zu „Ist Mountainbiken umweltschädlicher als Wandern?

    1. Danke für deinen Kommentar! Das wichtigste ist, dass sich Mountainbiker wie Wanderer an die Wege halten und: dass Mountainbiker. angepasst fahren, heißt keine schleifende Hinterradbremse und keine Abkürzungen. Aber das gleiche gilt auch für Wanderer, auch hier sind Abkürzungen tabu. Dazu gehört: Alle Wege in den Bergen müssen gepflegt werden. Für Wanderer und Radfahrer. Aber auch für Trailrunner. Die vergessen wir nämlich auch oft. Du willst auch keinen viel begangenen Weg nach fünf Jahren sehen. Das schöne ist ja, dass wir alle die Berge genießen wollen. Und wir das auch können, weil wir respektvoll miteinander umgehen.

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