
Nachhaltigkeit – gefühlt ist es das In-Wort des Jahrzehnts. Es gibt kaum eine Firma oder eine neue Produktpalette, die ohne den Begriff auskommt. Aber was bedeutet Nachhaltigkeit genau und wo kommt der Begriff eigentlich her?
Manchmal hat man heute das Gefühl, dass alles irgendwie nachhaltig ist: Kleidung, Lebensmittel, Transportmittel, Waschmittel, Kosmetika, Büromaterial – einfach alles. Es scheint als wäre Nachhaltigkeit das Trendwort schlechthin und wer sich nicht mit ihm schmücken kann, gehört irgendwie nicht mehr zum elitären Kreis. Ist irgendwie von gestern. Dabei wissen manche aber gar nicht genau was Nachhaltigkeit eigentlich bedeutet. Ist es gleichzusetzen mit Umweltfreundlichkeit, Fairness oder einfach nur Langlebigkeit eines Produkts? Da ich einmal Globaler Wandel und regionale Nachhaltigkeit studiert habe und ständig gefragt werde, was Nachhaltigkeit eigentlich ist, was nachhaltig leben bedeutet und ob man es auch in diesem und jenem Kontext verwenden kann, habe ich einmal alte Studienbücher gewälzt und mich aufgemacht, um die Frage zu beantworten: „Was ist eigentlich Nachhaltigkeit?“
Der Begriff
Nehmen wir erst einmal den Begriff „Nachhaltigkeit“. Ursprünglich stammt das Wort von „nachhalten“ und bedeutet „längere Zeit andauern oder bleiben“. Erstmalig wurde er 1713 von Hans Carl von Carlowitz genutzt. Er verwendete den Begriff im Sinne der Forstwirtschaft. Obwohl das nicht viele wissen, ist die Forstwirtschaft noch heute ein Wirtschaftszweig, in dem die Nachhaltigkeit nichts Neues ist. Vielmehr fragt man sich hier schon seit vielen, vielen Jahren, wie es möglich ist, dass pro Jahr nicht mehr Holz gefällt wird als nachwachsen kann. Diese Definition ist das Vorbild für alle späteren Nachhaltigkeitsüberlegungen und damit kommen wir auch zum modernen Verständnis der Nachhaltigkeit:
„Die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigen, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“
Nach diesem Verständnis aus dem Brundtland-Bericht von 1987, zielt Nachhaltigkeit darauf ab das Leben der Menschen heute zu verbessern und gleichzeitig die Lebenschancen aller künftigen Generationen zu erhalten. Kurz gesagt: Wir können heute den Anblick der Gletscher in den Alpen genießen und unsere Kinder können das in 30 Jahren noch genauso.
Die Nachhaltigkeit übernimmt dabei sogar eine Doppelrolle: Sie betrifft die aktive Übernahme von Verantwortung für alle künftigen Generationen und beschäftigt sich zudem mit Gerechtigkeitsfragen der heute lebenden Menschen. Also mit dem Erhalt von natürlichen und kulturellen Ressourcen und der Verbesserung der Lebenssituation von vielen Menschen heute.
Die Geschichte
Aber kommen wir zur Entwicklung der Nachhaltigkeit. Erste Diskussionen zur Herausforderung nachhaltiger Entwicklung gehen bereits bis ins 18. Jahrhundert zurück (siehe Hans Carl von Carlowitz). Ende der 1960er kam der Begriff erstmalig wieder auf, als die Menschen merkten, dass die menschliche Wirtschaftsweise die natürlichen Grundlagen zu zerstören drohte. Ausschlaggebend hierfür war der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome 1972. Der Bericht sah bereits damals voraus, dass, wenn die damaligen Trends hinsichtlich Bevölkerungswachstum, Ressourcenausbeutung und Umweltverschmutzung so weitergehen würden, es in den nächsten 100 Jahren zu einem ökologischen Kollaps und infolge dessen zu einem wirtschaftlichen Niedergang kommen wird. Heute weiß man, dass der damalige Bericht des Club of Rome methodisch und konzeptionell angreifbar ist und dass sich die meisten seiner Aussagen nicht bewahrheitet haben, trotzdem bewirkte er, dass intensiver über den menschlichen Lebensstil und die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen nachgedacht wurde. Da in den folgenden Jahren immer mehr Umweltbelastungen beobachtet wurden, wie z.B. Luftschadtstoffe oder Gewässerverschmutzungen, fand das Thema auch immer mehr Anklang in Politik und Medien und 1972 wurde daraufhin das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gegründet.
Die offizielle Geburtsstunde des Nachhaltigkeits-Begriffs war im Jahr 1987 mit der Veröffentlichung des „Brundtland-Berichts“ von der Kommission für Wirtschaft und Entwicklung der Vereinten Nationen. Der Kommission gelang es ein Nachhaltigkeitsverständnis zu entwickeln, das bis heute weltweit akzeptiert ist und das erstmals die Verantwortung in den Mittelpunkt stellt. 1992 nahm die nachhaltige Entwicklung bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro weiter Fahrt auf. Bis heute gilt die Konferenz als zentrales Ereignis in der Geschichte der Nachhaltigkeit, da sich die internationale Staatengemeinschaft verpflichtete das Leitbild in konkreter Politik auf internationaler und nationaler Ebene umzusetzen. Das Ergebnis war die Agenda 21, die allerdings lediglich Rahmenvereinbarungen und keinerlei überprüfbare Verpflichtungen enthält. In den folgenden Jahren wurden diese Maßnahmen in vielen Folgekonferenzen konkretisiert. Berühmte Beispiele sind die Klimakonferenz in Kyoto 1997, auf der das Kyoto-Protokoll verabschiedet wurde. Dieses enthält Mengenziele für die Emission von Treibhausgasen und trat 2005 in Kraft, allerdings ohne die beiden größten Treibhausgas-Emittenten USA und China. 2012 fand in Rio de Janeiro die Folgekonferenz Rio+20 in Anspielung auf 1992 statt. Die Teilnehmer bekannten sich zu nachhaltigem Wirtschaften und gemeinsamen Zielen zur Bekämpfung von Hunger, Armut, Bodenerosion sowie dem Klimawandel und dessen Folgen. Die Erklärung enthielt aber wiederum keine Verbindlichkeiten. Im Jahr 2015 folgte die UN-Klimakonferenz in Paris, bei der sich alle Staaten (bis auf Syrien und die USA, da Trump wieder ausgetreten ist) dazu verpflichteten die menschengemachte globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen. Außerdem 2015: Der UN-Gipfel in New York, bei dem die Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet wurde. Dieser Weltzukunftsvertrag umfasst 17 globale Entwicklungsziele und ist seit Januar 2016 gültig.
Obwohl das Leitbild der Nachhaltigkeit seit Jahren weltweit akzeptiert ist, sind viele Probleme bis heute ungelöst. Ein Grund dafür kann sein, dass die Nachhaltigkeit ein ziemlich vielschichtiges Konstrukt ist, das sich nicht nur um Umweltschutz kümmert, sondern auch um Armut, Hunger, Wirtschaft und den Klimawandel.
Die drei Säulen der Nachhaltigkeit
Aus diesem Grund wird es auch in die drei Säulen der Nachhaltigkeit untergliedert: Ökologie, Soziales und Ökonomie. Dieses Drei-Säulen-Modell geht davon aus, dass nachhaltige Entwicklung nur durch das gleichzeitige und vor allem gleichberechtigte Umsetzen von ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen erreicht werden kann. Dieser Ansatz wurde u.a. von der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 1998 weiter festgeschrieben. Die ökologische Nachhaltigkeit, von dieser sprechen wahrscheinlich die meisten von uns, fokussiert sich dabei v.a. darauf keinen Raubbau an der Natur zu betreiben. Ökologisch nachhaltig zu leben würde daher bedeuten, die natürlichen Ressourcen in dem Maße zu beanspruchen, wie sie sich auch wieder regenerieren können. Bei der ökonomischen Nachhaltigkeit geht es darum, dass eine Gesellschaft wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse leben sollte, da dies sonst immer zu Einbußen der nachfolgenden Generationen führen wird. Nachhaltig heißt hier, dass ein und dieselbe Wirtschaftsweise dauerhaft betrieben werden kann. Die dritte Säule ist die soziale Nachhaltigkeit. Dabei sollte eine Gesellschaft so organisiert sein, dass es wenig soziale Spannungen gibt und Konflikte nicht eskalieren, sondern auf friedlichem Weg gelöst werden können.

Nachhaltigkeit ist also auf keinen Fall eindimensional und im ganzheitlichen Sinn relativ komplex. Deswegen kann man sich, sobald etwas als nachhaltig betitelt wird, eigentlich immer erst einmal die Frage stellen: Welche Nachhaltigkeit denn genau?