Zerstört Instagram unsere Umwelt?

Auf Social Media-Plattformen wie Instagram oder Strava zeigt man gerne, welche tollen Abenteuer man gerade erlebt, an welchem entlegenen Flecken man letztes Wochenende wieder unterwegs war oder wie schnell man welche Trails gefahren ist. Das vertaggen des Standorts ist da schon eine Selbstverständlichkeit – bei Strava sogar Mittel zum Zweck. Aber was macht das mit den Orten, die wir so ins Rampenlicht rücken?

Hinter einer Mulde liegt er. Umragt von sanft abfallenden Hängen. Schier lückenlos bewachsen mit saftig grünen Allgäuer Bergwiesen, auf denen vereinzelt Kühe grasen. Je näher man ihm kommt, desto größer werden die bunten Punkte entlang seines Ufers. Rot. Gelb. Olivgrün. Zelte. Fein aufgereiht. Am Ufer des Schrecksees. Inmitten der Allgäuer Alpen, auf 1.813 Meter, ist eine beliebte Anlaufstelle für Wildcamper entstanden. Vermutlich wegen ein paar Bilder auf Instagram.

Ein schönes Bild vom Schrecksee, das aber zum Wildcamping animieren kann

Parties statt Biwakieren

Der Schrecksee gilt als eines der Paradebeispiele der Alpen für das, zu was das Teilen des Standortes auf den eigenen Instagram-Kanälen beitragen kann. Früher war der Schrecksee ein beliebtes Ziel für Wanderer. Heute für Menschen, die auf der Suche nach einem Ort sind, wie ihn nur ein Instagram-Post darstellen kann. Einsam. Verlassen. Mitten in der Wildnis und fernab jedweder Zivilisation lebt man selbst das #naturelover Leben, das einem auf der Bildplattform so oft vor Augen geführt wird. So ganz einsam ist es am Schrecksee allerdings nicht mehr. In den Sommermonaten stehen laut Bayerischem Rundfunk fast täglich fünf bis 30 Zelte dort oben. Fast wie auf dem Campingplatz. Naturverträgliches Biwakieren ist das nicht mehr. Es werden vielmehr Parties veranstaltet, Lagerfeuer mit den herausgerissenen Zaunpfählen der Älpler gemacht und Polizeikontrollen durchgeführt. Der Müll bleibt leider ebenso häufig dort oben. Bloß wird er nicht, wie auf dem Campingplatz, täglich weggeräumt. Es kommt auch kein Müllentsorgungskommando wie am Flaucher in München. Er bleibt einfach hier. Im Schutzgebiet. Darunter leidet die Vegetation, die Tierwelt und die Wasserqualität des Sees. Doch was hat dazu geführt, dass der Schrecksee auf einmal so an Beliebtheit zugenommen hat?

Die Gemeinde Bad Hindelang hat eine Kampagne gestartet, um den Schrecksee vor übermäßigem Wildcamping zu schützen – auch auf Instagram

Einen Teil dazu beigetragen hat wahrscheinlich eine kleine App namens Instagram. Sobald auf der App wirklich schöne Bilder von wirklich schönen Orten gepostet werden, entsteht fast ein regelrechter Hype darum. Die Instagram-tauglichen Füße-aus-dem-Zelt-Blick-auf-den-See-Bilder, die einige Influencer an Orten wie dem Schrecksee inszenieren, übersetzen viele in die Wirklichkeit. Jeder muss selbst sofort dorthin, ein Bild posten, eine Story machen und am besten das beliebte Foto nachstellen. Ist man doch ständig auf der Jagd nach Followern und Likes. Instagram ersetzt heute Magazine und Reiseführer. Empfehlungen für den nächsten Urlaub holt man sich auch nicht mehr im Reisebüro oder auf Plattformen wie Expedia, man scrollt durch seinen Feed und lässt sich inspirieren. Was Touristiker von großen Destinationen, die mit Menschenmengen umgehen können und auf diese vorbereitet sind, freut, stellt für landschaftliche Kleinode wie den Schrecksee eine Bedrohung dar. Denn selbst wenn man eine geringe Anzahl an Followern hat und die sich aus irgendeinem Grund dazu entscheiden alle am selben Tag wohin zu fahren, dann kann dadurch schon eine Menge los sein. Theoretisch könnten 100 Follower schon ausreichen. Wie es bei größeren Accounts aussieht kann sich denk ich jeder selbst ausrechnen.

Der Klassiker unter den Instagram-Posts

King of the Mountain oder doch King of Social Media?

Bei Trails ist es da nicht anders. Teilen wir jede Abfahrt, jede kleinste Abzweigung, die wir nehmen, erhöhen wir damit den Druck auf die Natur. Das bestätigt auch der Naturpark Karwendel. Allein dadurch, dass in den letzten Jahren vermehrt Mountainbike-Touren auf Strava oder Plattformen wie Outdoor-Active geteilt worden sind, konnten die Parkranger eine deutliche Zunahme der Mountainbiker verzeichnen. Auch auf Wegen, auf denen eigentlich laut Naturpark Radfahren offiziell verboten ist. Natürlich kann man jetzt sagen, ach die paar Radfahrer, das macht doch nichts aus wenn da drei Leute mehr drüber fahren. Doch mit mit jedem Mountainbiker, der nicht naturverträglich fährt und zum Beispiel auch mal mit angezogener Hinterradbremse unterwegs ist, verändert sich der Trail. Da diese Wege häufig nicht auf Radfahrer ausgelegt sind und demnach nur unregelmäßig gepflegt werden, fahren sie sich schneller aus, die Bodenerosion kann zunehmen und wenn wir von Pfaden im Gebirge mit einer gewissen Hangneigung sprechen, kann sich dadurch auch im schlimmsten Fall das Naturgefahrenrisiko, wie zum Beispiel von Muren oder Hangrutschen, erhöhen. Ebenso ziehen sich aus diesen überfüllten Gebieten die Wildtiere weiter zurück und geben ein Stück ihres Lebensraums auf.

Müssen wir jeden einzelnen gefahrenen Trail auf Strava posten – oder behalten wir ein paar Trail-Geheimnisse für uns? ©Wild Recreation

Wir haben in diesen Regionen und Gegenden für ein paar Stunden unseren Spaß und kommen genau wegen der Natur an diese Plätze. Wollen wir sie deshalb für einen tollen Instagram-Post oder die King of the Mountain-Wertung zusätzlich gefährden? Wenn jetzt einer sagt: „Aber muss man doch nicht gleich nachmachen. Und weiß doch sowieso jeder, dass die Zeltbilder an einsamen Orten nur gestellt sind.“ Ja, schon. Aber irgendwie leben wir doch auch in Zeiten, wo auf der Verpackung einer Fertigpizza steht, dass man die Plastikfolie entfernen muss, bevor man sie in den Ofen steckt. Wir teilen das Bild oder den Trail und werden genau in dem Moment auch verantwortlich für diesen Flecken. Vielleicht reicht es deswegen ja manchmal aus, einfach eine größere Region zu vertaggen und nicht jeden einzelnen Standort zu teilen oder Strava vielleicht nur auf ausgewiesenen Trails zu nutzen und uns selbst so auch ein paar geheime Lieblingsplätze zu erhalten?

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2 Kommentare zu „Zerstört Instagram unsere Umwelt?

  1. Hallo Lisa

    Vielen Dank für diesen Beitrag – darüber habe ich noch nie nachgedacht! Es stimmt schon, wenn man als Mensch, der sowieso schon immer unter Fernweh leidet, Bilder von schönen, einsamen Orten sieht, dann zieht es einen sofort dort hin.
    Aber eigentlich muss das nicht so sein. Eigentlich könnten wir unsere eigenen Orte entdecken, und diese geheim halten. Schliesslich erzählt ein Kind seinen Eltern nicht, wo es seine Süssigkeiten versteckt – wieso muss ich also Social Media erzählen, wo ich am liebsten wandern gehe? Die Einsamkeit ist es doch, was diese Orte ausmacht.
    Wenn genug Menschen dagewesen sind, werden auch die Bilder ihren Reiz verlieren. Irgendwann lässt sich die menschliche Präsenz auch in den Fotos nicht mehr verstecken. Nur leider ist’s dann für die Natur schon zu spät.

    Danke, dass du uns auf ein so wichtiges Thema aufmerksam machst!

    Alles Liebe
    Liliane

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    1. Hallo Liliane,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Und ich stimme dir voll zu. Man kann ja auch gerne eine größere Region markieren oder einen eh schon bekannten Ort, nur sollte man eben ein bisschen vorsichtig sein mit Orten, die nicht so überlaufen sind oder sogar unter Schutz stehen.

      Ich wünsche dir einen wunderschönen Abend und liebe Grüße
      Lisa

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