Wir leben in der Komfortzone – das muss aufhören!

Im Outdoorsport sprechen wir gerne davon, dass es Zeit ist unsere Komfortzone zu verlassen. Dass wir uns einmal trauen müssen etwas Neues auszuprobieren, neue Länder zu bereisen, schwierigere Trails zu fahren oder neue Abfahrten mit Ski zu erkunden. In unserem alltäglichen Leben haben wir uns in dieser Komfortzone dagegen heimelig eingenistet – und es uns bequem gemacht. So bequem, dass wir es nicht einmal schaffen uns daraus zu bewegen, wenn wir dem Abgrund direkt ins Auge blicken und der Klimawandel bereits in unserem Hausflur steht.

Vor knapp elfeinhalb Jahren veröffentlichte DIE ZEIT einen Artikel mit der Überschrift „Dürfen wir noch fliegen? NEIN!“. Das war im Jahr 2007. Bereits in diesem Jahr hat eine der renommiertesten Zeitungen des Landes darüber berichtet wie klimaschädlich fliegen ist (und das ist noch nicht einmal der älteste Artikel). Diesen Fakt habe ich auch schon im ersten Semester meines Geographie-Studiums gelernt, zusammen mit der Tatsache, dass der Klimawandel bereits in vollem Gange ist. Damals gab es über die gesamte Welt verteilt noch Klimawandel-Gegner, Ungläubige, die nur von minimalen Temperaturschwankungen gesprochen haben und die es ihrer Ansicht nach immer schon gab. Ja, gab es. Aber nicht in diesem Ausmaß. Heute ist sicher, dass wir nicht am Anfang eines sich ändernden Klimas stehen, sondern bereits mittendrin sind. Allein neun der zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen liegen im 21. Jahrhundert. Dieser Sommer zählt zwar nicht zu den wärmsten, dafür hat die Trockenheit bei den Landwirten Schäden und Ernteausfälle bis zu drei Milliarden Euro verursacht. Das ist viel Geld. Für etwas, dass die Menschheit bereits schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts wusste und wogegen bereits 1965 erste Warnungen ausgesprochen wurden. 

„Wir erleben diesen Sommer an vielen verschiedenen Orten der Welt zeitgleich ein gehäuftes Auftreten von Hitzewellen und extremen Starkniederschlägen. Genau eine solche Häufung von meteorologischen Extremereignissen wurde von uns als Folge des anthropogenen Klimawandels prognostiziert.“
Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes

Schuld, dass die globale Erwärmung über all die Jahre weiter voran geschritten ist? Sind allein wir Menschen. Und dabei nicht einmal alle. Die Industrienationen tragen zum größten Teil zur globalen Erwärmung bei. Dieser menschengemachte Temperaturanstieg ist also die Folge unseres, ja und da nehme ich mich selbst nicht aus, überbordenden Lebensstils. Wir hätten das Geld, das Wissen und die Möglichkeiten, das zu ändern, aber wir stecken so tief in dieser menschlichen Komfortzone, sind so tief in die Sofaritze gerutscht, dass wir einfach zu bequem geworden sind unseren angenehmen und globalen Lebensstil zu ändern. Wir fliegen übers Wochenende nach Rom, Paris oder Berlin. Essen mehrmals die Woche Fleisch. Machen im Urlaub Kreuzfahrten, fliegen in die Karibik, zum Skifahren nach Japan, zum Surfen nach Hawaii oder zum Mountainbiken nach Kanada. Um auf unseren Abenteuern auch gut auszusehen holen wir uns mehrmals im Monat die neuesten Kollektionen von Fast Fashion-Anbietern. Zum Einkaufen? Fahren wir natürlich mit dem SUV. 

„Wie ein freigesetzter Flaschengeist erfüllt der Kohlenstoff dem Homo sapiens jeden Energiewunsch und lässt die Überflussgesellschaft entstehen. Doch gleichzeitig erhitzt der rasend aufsteigende Luftkohlenstoff den Globus über alle zuträglichen Maße und wendet sich damit gegen seine Befreier. Ergo geht unsere Zivilisation den Weg in die Selbstverbrennung – aus Gier, aus Dummheit und vor allem aus Versehen. … Immer noch kann sich der Mensch von der fossilen Verführung lossagen und vor dem selbst errichteten Scheiterhaufen kehrtmachen. Wenn Wissen und Wollen umgehend zusammenfinden. Und wenn wir deutlich mehr Glück als Verstand haben.“ Hans Joachim Schellnhuber: Selbstverbrennung (2015), S. 3

Das sind wir, das ist die Versinnbildlichung unserer industriellen und konsumorientierten Gesellschaft. Wir wissen, dass es den Klimawandel gibt und reden uns dann damit raus, dass wir doch auch hin und wieder Bio-Lebensmittel kaufen oder zu Ökostrom wechseln wollen (wenn überhaupt). Alles andere? Für das haben wir kein Geld. Wir, EU-Bürger, haben kein Geld uns für den Klimawandel einzusetzen. Dabei braucht es dafür nicht einmal Geld. Sondern etwas viel selteneres: Durchhaltevermögen, Wille, Geduld und einen Arschtritt. Wir sollten uns nicht darum sorgen, ob unser letzter Instagram-Post gut ankam und mit welcher Marke wir als nächstes kooperieren, um den Konsum noch weiter zu befeuern. Wir sollten uns darüber sorgen in welcher Welt unsere Kinder, Neffen, Nichten, Enkel etc. einmal leben werden. Und dass wir nicht unseren Planeten kaputt machen – weil der erholt sich langfristig davon schon wieder – sondern uns selbst. 

„2003 hatten wir in Europa einen Jahrhundertsommer mit 70.000 Hitzetoten. Stellen Sie sich mal vor, Terroristen würden in Europa 70.000 Menschen umbringen – wir wären bereit, den Rechtsstaat aufzugeben, nur um dagegen anzukämpfen! Bei einer extremen Hitzewelle aber zucken die Leute mit den Schultern.“
Stefan Rahmstorf, Klimaforscher

Denn das angestrebte Ziel von unter 2°C bis zum Ende des Jahrhunderts kann laut einer neuesten Studie nur noch zu 5 Prozent erreicht werden. Wahrscheinlicher sind 3-4°C. Bei 5°C wird es für Menschen auf der Erde eng. Wenn wir uns schon jetzt über den heißen Sommer beklagen, wie soll es dann in den nächsten Jahren, Jahrzehnten werden? Wenn Landwirte schon jetzt Milliarden Schäden durch eine einzige Dürre davontragen, wie soll es dann im Jahr 2050 aussehen? Und alles nur, weil wir gerne in das Flugzeug steigen, neue und vor allem billige und unter den widrigsten Bedingungen produzierte Kleidung kaufen, gerne Weißwurst und Schweinsbraten essen oder mit dem Auto zum Einkaufen fahren. Weil wir zwar Freeletics machen, aber nicht das Rad nutzen können. Weil wir zwar Diäten und Ernährungsumstellungen für ein neues Körpergefühl machen können, aber nicht um den Klimawandel aufzuhalten. Weil wir schlicht und einfach zu faul sind, um unseren Lebensstil anzupassen und unseren plattgesessenen Hintern vom Sofa hochzubekommen. Und das obwohl wir das doch alles wissen. Und nur zu bequem dafür sind uns selbst in den Arsch zu treten.

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