
Teil 2 der Serie „Umweltfreundlicher Wintersport?!“ – Interview mit Daniela Hochmuth
Daniela Hochmuth, Freeriderin und Präsidentin von Protect our Winters Austria sprach im Interview mit Wild Recreation über den Zwiespalt zwischen Aktivismus und Profisport. Gibt Tipps für einen umweltfreundlichen Lifestyle und hat einen Traum – davon wie Wintersport in 50 Jahren aussehen wird.
In dem zweiten Teil unserer Serie „Umweltfreundlicher Wintersport?!“ haben wir uns mit Dani Hochmuth, Freeriderin und Präsidentin von POW Austria unterhalten. Bereits mit 21 Jahren reiste sie für Outdoormarken wie Mammut als Bekleidungsentwicklerin durch die Welt – bis der Cut kam und sie sich fragte, was sie wirklich glücklich macht. Schwierige Frage, einfache Antwort: Snowboarden. Sie begann Freeride World Tour Qualifier zu fahren und hatte bereits nach dem zweiten Contest Jones Snowboards als Sponsor. Die 27-Jährige erzählt im Interview wie sie durch Zufall Präsidentin von POW Austria geworden ist und warum wir in unserer Lebensweise radikaler werden müssen, um das Klima und den Winter zu retten.

Du bezeichnest dich selbst als Freeriderin und Aktivistin. Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Ich glaube nicht. Man muss nur unterscheiden zwischen dem kommerziellem Freeriden und dem Freeriden an sich. Nimmt man das kommerzielle, so wie es jetzt im Wettkampfbereich betrieben wird, mit Autosponsorings und Heliskiing, dann ist es auf jeden Fall für mich als Dani ein Widerspruch. Ich persönlich kann das so nicht vertreten. Ich bin Präsidentin von Protect our Winters Austria, Kopf einer Klimaschutzorganisation. Dafür habe ich in meinem Leben sehr viel verändert. Aber nicht für die anderen, sondern für mich. Obwohl ich innerhalb von 1,5 Jahren bei dem Freeride World Tour Qualifier (FWQ) ziemlich weit vorne mitgefahren bin und die nächste Station die Freeride World Tour (FWT) gewesen wäre, habe ich gesagt, dass ich die Contests nicht mehr fahre. Auf der FWT hätte ich für einen Run beispielsweise nach Alaska fliegen müssen und das war es für mich nicht wert. Das hätte meinen CO2-Footprint für mehrere Jahre zusammen gehauen. Da könnte ich vier Jahre vegetarisch leben und könnte diesen Footprint nicht wieder gut machen. Wenn man Freeriden so sieht ist das für mich definitiv ein Widerspruch in sich. Aber wenn man Freeriden an sich nimmt. Und die Worte voneinander löst und sich auf das Free Riden besinnt, also das freie Fahren, dann ist es kein Widerspruch. Dann kann ich meine eigenen, freien Entscheidungen treffen. Zwar eckt man damit bei manchen Sponsoren an, weil man z.B. für einen Run nicht nach Japan fliegt oder bestimmte Sponsorings fallen lässt. Aber wenn man so lebt und das so für sich entscheidet, dann ist man frei. Ich finde man kann vor allem mit Hilfe des Sport Aktivismus wieder cool machen. Diese Chance muss man einfach nutzen.
„Mit Hilfe des Sports kann man Aktivismus wieder cool machen. Diese Chance muss man einfach nutzen.“
Was warst du zuerst – Freeriderin oder Aktivistin?
Ich war auf jeden Fall zuerst Snowboarderin. Und dann Freeriderin. Nach meinen Sturz beim FWQ in Obergurgl, habe ich mir gesagt „Time is so precious“, ich muss jetzt einfach zu dem stehen, was ich machen will. Schon während meines Studiums und meiner Arbeit als Produktmanagerin bei Mammut habe ich mich auf Nachhaltigkeit und Innovation spezialisiert. Da habe ich schon bemerkt, dass diesbezüglich eigentlich schon viel mehr in mir schlummert. Aber erst nach meinem Sturz habe ich gesagt, jetzt ziehe ich es durch und niemand kann mich davon abbringen. So wurde ich zur Hardcore Aktivistin. In der Zeit, wo ich wegen der Verletzung weder Snowboarden noch Arbeiten konnte, habe ich POW Austria aufgebaut und bin viel extremer in meinem Umgang geworden.

Bist du extremer geworden, weil du dich mehr über das Thema Klimawandel informiert hast? Oder wie ist es dazu gekommen?
2014, als ich noch als Produktmanagerin und -entwicklerin bei Mammut gearbeitet habe, hat mich mein Kumpel Berni Mayer gefragt, ob ich nicht Lust hätte mit ihm das Projekt Pro Snow Tirol mitaufzubauen. Wir wollten Unternehmen in Nachhaltigkeitsfragen beraten und als wir bei POW International angefragt haben, ob sie uns ein paar Infos zukommen lassen können, haben sie uns gefragt, ob wir nicht einfach POW Austria gründen wollen. Ich habe ehrlich gesagt nie gedacht, dass ich einmal Kopf einer Klimaschutzorganisation werden würde. Aber so ist es dann passiert. Während meiner Verletzungspause habe ich mich anschließend einfach mit dem Thema auseinandergesetzt und viel gelesen, weil das neben Physiotherapie noch mit das Einzige war, das ich noch machen konnte. Zum Beispiel habe ich von Naomi Klein Climate vs. Capitalism gelesen und habe mich außerdem in Studien eingelesen. Da ist mir eigentlich erst richtig bewusst geworden, was alles falsch läuft. Das war der Change und dann bin ich auf jeden Fall extremer geworden.
Kannst du uns kurz die Ziele und Leitbilder von POW Austria zusammenfassen?
POW sieht sich generell als Stimme der Wintersport-Community gegen den Klimawandel. Wir wollen Wintersportler dazu motivieren sich für erneuerbare Energien einzusetzen, nachhaltig zu leben und wir legen den Fokus vor allem auf regionale Projekte. Hauptsächlich investieren wir in Bildungsinitiativen, die Bildung einer Gemeinschaft und wir verbreiten unsere Botschaft durch die Athleten in unserer Riders Alliance. Bei POW darf jeder mitmachen. Bisher gibt es die Organisation in sieben Ländern und jedes Land hat einen anderen Fokus. POW US hat z.B. den Fokus auf Lobbyismus und politischen Aktionen, Schweden oder wir in Österreich haben den Schwerpunkt mehr auf dem Grassroots Gedanken. Dabei steht bei uns im Vordergrund: Upcycling, ein vegetarischer/veganer Lebensstil, regionales, plastikfreies Bio-Essen und die Nutzung der Öffentlichen Verkehrsmittel. Wir wollen die Angst vor dem Aktivismus nehmen und jedem die Möglichkeit bieten sich einzusetzen.
Lass uns zum Thema umweltfreundlicher Wintersport kommen. Gibt es das überhaupt? Wenn ja, wie sieht er aus?
Also zu 100% gibt es mit Sicherheit keinen umweltfreundlichen Wintersport. Bei POW betonen wir ganz klar und ich meine, wir wissen es ja auch selbst, wir sind Teil des Problems und deswegen können wir auch mithelfen eine Lösung zu finden. Wir haben beispielsweise eine Kooperation mit der Organisation System Change not Climate Change. Das ist ein Zusammenschluss von verschiedenen NGO’s, die deutlich extremer unterwegs sind als wir. Anfangs haben sie uns häufig kritisiert und gesagt, wenn man etwas für die Berge machen will, müsste man den Wintersport abschaffen. Aber das ist nicht realistisch. Deswegen muss man sich bemühen einen Kompromiss zu finden und jeder dort anfangen, wo er etwas machen. In Österreich ist zum Beispiel jeder 14. Job und in Tirol sogar jeder vierte Job vom Wintertourismus abhängig und wenn man das abschaffen würde, hat man nicht weitergedacht. Viele Menschen sind vom Wintertourismus abhängig und ohne ihn, gäbe es zum Beispiel solche Täler wie das Kaunertal nicht mehr. Kaum jemand hätte noch einen Job. Vor allem müssten da die Tourismus-Destinationen einmal nach einer Lösung suchen. Die Aufgabe von POW ist es da Aufklärungsarbeit zu leisten und zu informieren. Aber 100%-ig grünen Wintersport wird es niemals geben. Allerdings kann man ziemlich viel machen, wenn man ein bisschen umdenkt. Und wenn wir alle ein bisschen umdenken, dann hilft das auch schon.

Wie könnte man für sich selbst einen Mittelweg finden, damit man möglichst umweltfreundlichen Wintersport betreibt?
Also mein Weg hat so angefangen, dass ich das ganz Extreme ausprobiert habe. Ich hatte kein Auto, ich habe in einem nicht beheizten Haus mitten auf dem Land gewohnt und mein Snowboard immer zum Bus getragen. Ich habe fast gar kein Plastik mehr gekauft, habe mich vegan ernährt und bin seit zwei Jahren nicht mehr geflogen. Aber selbst da habe ich gesehen, dass es nicht zu 100% glücklich macht. Ich glaube, es muss einfach jeder für sich austesten, wie weit er gehen kann. Im Winter habe ich gerade z.B. wieder ein Auto und letztes Wochenende habe ich mich einfach hinters Steuer gesetzt und bin nach Vorarlberg gefahren und konnte das letzte bisschen Powder finden. Da war ich einfach happy.
„Jeder muss für sich selbst austesten, wie weit er gehen kann.“
Selbst Sandra Lahnsteiner, die selbst einen sehr großen Carbon-Footprint hat, ist jetzt in der POW Riders Alliance. Ich fand es einfach cool zu sehen, dass sie sich trotzdem engagiert und ernsthaft etwas für sich selbst verändern will. Und vielleicht hat dann jemand wie Sandra, genau die Power, dass sie auch ihre Sponsoren überreden kann, mehr auf Nachhaltigkeit zu setzen. Jeder muss für sich machen, was er kann. Und ich habe das bei mir auch bemerkt, wenn man sich einmal darauf einlässt und genauer hinschaut, dann wird man automatisch extremer.
Wie sieht dein Leben heute aus? Was machst du für dich, um so umweltbewusst wie möglich zu leben?
Oh, da mache ich relativ viel. Wir haben ein Niedrig-Energiehaus mit einer Erdwärme-Heizung, wohnen in einer WG und teilen sehr viel. Milch und Eier holen wir vom Bauern nebenan und wir haben einen Gemeinschaftsgarten. Ich bin seit zwei Jahren nicht geflogen. Denn ein Langstrecken-Flug lässt sich mit vier Jahren vegetarisch leben aufwiegen. Wenn ich Lebensmittel einkaufe, versuche ich auf Verpackungen zu verzichten und beispielsweise bei Liebe & Lose in Innsbruck einkaufen zu gehen. Dort packe ich einfach alles in meine Klean Kanteen Boxen. Außerdem habe ich eine ÖBB-Karte und probiere sehr viel Bus und Zug zu fahren. Im letzten Jahr habe ich lediglich zwei Mal neue Klamotten gekauft. Ansonsten kaufe und verkaufe ich recht viel über Second Hand. Selbst unser Haus haben wir fast nur mit Second Hand Möbeln eingerichtet. Außerdem bin ich freiberufliche Dozentin an der University of Applied Sciences und unterrichte das Fach Zukunftsmärkte Sportartikel und Sportfashion. Da geht es mir auch hauptsächlich darum die Kreislaufindustrie in die Outdoorbranche zu implementieren. Das heißt das zu pushen, was z.B. Patagonia jetzt mit der Worn Wear Tour macht oder Pyua oder Bleed. Das große Konzept, das ich vertrete kommt eigentlich von Transa aus der Schweiz: Je länger ein Produkt am Leben ist, desto kleiner fällt sein ökologischer Fussabdruck aus. Dazu haben sie ein fünfstufiges Modell entwickelt, das auf den Teilschritten Care, Repair, Re-Wear, Re-Use und Recycle beruht. Ich habe für mich selber noch einen sechsten Schritt hinzugefügt: Upcycling.

Das lebe ich auch bei POW. Wir haben zum Beispiel gerade unser Shared Office bezogen, das wir zusammen mit dem Upcycling Studio Innsbruck eingerichtet haben. Wir wollen den Upcycling Gedanken weiter verbreiten. Außerdem haben wir auch einen Gemeinschaftsgarten. Wir haben auf unseren Events schon immer regionale und vegane Speisen serviert und nie Plastik verwendet. Wir wollen das schon von Grund auf durchziehen. Alles was ich selbst für mich austeste, übertrage ich auf POW und möchte das so in die weite Welt hinaustragen. Aber ich habe auch noch etwas zu tun: ich könnte auf mein Auto verzichten und mehr mit dem Zug fahren.

Wenn du jetzt Tipps an die Leser geben würdest, was können sie ganz schnell und einfach bei sich selbst ändern?
Als erstes kann man zum Beispiel, wenn man zum Skifahren geht, Fahrgemeinschaften bilden oder seine Fahrt bei go-shred rein stellen oder mit dem Zug oder Bus in die Berge fahren. Ein weiterer Step ist, dass man darauf achtet frische regionale Produkte zu kaufen. Bewusster einzukaufen und den Fleischkonsum zu reduzieren. Und einfach einmal überlegen bevor man einkaufen geht, brauche ich wirklich diesen 100. neuen Pullover? Oder sagt nur jemand, dass man das jetzt tragen muss und dass das jetzt cool ist. Einfach einmal wieder bewusster hinschauen. Auch einmal „Nein!“ sagen. Klein anfangen und sich die Ziele nicht zu hoch stecken. Schritt für Schritt einleben. Zwar schon radikal. Ich glaube wir müssen viel radikaler werden, aber nicht von 0 auf 100 und vor allem nicht so, dass man für sich selbst keinen Lebenskomfort mehr hat. Und ich muss sagen, dass mein Lebenskomfort, dadurch dass ich nicht mehr so viel reise und dass ich so lebe, wie ich es jetzt tue viel größer geworden ist. Man spart sich einfach Zeit und Geld und kann mehr Zeit in das investieren, was man wirklich machen will. Die Einrichtung unserer WG hat gerade einmal 100 Euro gekostet und nicht 10.000 Euro. Das heißt, ich hatte mehr freie Zeit und musste mir die 10.000 Euro nicht erarbeiten und konnte mich bei POW engagieren. Letztendlich sollte man klein anfangen und mit Spaß dabei bleiben. Positiv bleiben, nicht alles so negativ sehen und einfach Stil bewahren.
Zu guter letzt: Was ist deine Vision, wie sieht der Wintersport in 20 – 50 Jahren aus?
Meine Vision oder die Realität?
Deine Vision. Bleiben wir optimistisch.

Meine Vision geht davon aus, dass wir den Systemwandel schaffen, von unserer zerstörerischen Lebensweise abkommen und das Zwei-Grad-Ziel halten. Das heißt, dass wir 2020 den Energiewandel haben und auf erneuerbare Energien umgestiegen sind. Die Gletscher schmelzen nicht zu sehr und unsere Skigebiete wird es weiterhin geben. Ich würde mir wünschen, dass es natürlich weiterhin Wintersport gibt, dass es weiterhin Schnee gibt. Es wird regional bewirtschaftete Hütten geben mit regionalem Essen und dass dadurch viele lokale Arbeitsplätze gesichert werden. Ich würde mir wünschen, dass die Skigebiete die gerodeten Flächen auch im Sommer nutzen und dort coole Bikestrecken entstehen. Dass die Hütten, die ansonsten nur im Winter genutzt werden, auch im Sommer von einem Senner bewirtschaftet werden und man dort einfach eine gute Buttermilch trinken und lokalen Käse probieren kann. Dann sehe ich ganz viel Holzspielplätze für Kinder. Ich sehe vor allem ganz viele Kinder Snowboarden, weil wir es geschafft haben, dass Snowboarden nicht ausstirbt. Außerdem sehe ich, dass man wieder mehr in die ÖsterreicherInnen investiert und nicht nur in die Touristen aus dem Ausland, dass man die Skipasspreise wieder senkt und Skifahren nicht zu einem elitären Luxussport verkommt. Ich sehe ganz viele, coole moderne Bahnhöfe im Tal, die die Touristen in die Gebiete bringt und außerdem ganz viele Zero-Emission-Häuser als Hotels oder Skihütten, die zudem gut aussehen.
„Meine Vision geht davon aus, dass wir den Systemwandel schaffen, von unserer zerstörerischen Lebensweise abkommen und das Zwei-Grad-Ziel halten.“
Natürlich sehe ich ganz viel Powder, weil wir ja den Winter gerettet haben. Außerdem wünsche ich mir, dass man beim Freeriden nicht mehr gegeneinander fährt, sondern ganz viel Spaß miteinander hat. Wenn ich mir die Shops anschaue, habe ich die Vision, dass man sich die neuesten Trends ganz einfach ausleihen kann und nach einer Woche wieder zurückgeben. So können die Touristiker noch Geld verdienen, weil sie den Gästen etwas anbieten können und die Touristen freuen sich, dass sie jedes Jahr die neuesten Sachen ausleihen können. Schneekanonen wird es nicht mehr geben. Es werden Naturschutzgebiete und Wildlife Zones eingerichtet. Es gibt ganz viele Solaranlagen auf den Dächern und die Skigebiete werden mit 100% erneuerbaren Energien betrieben. Vielleicht haben sie sogar ihre eigenen Solarfarmen auf Pisten, die nicht mehr genutzt werden. Natürlich wird es auch nirgendwo mehr Plastik geben und keine Wegwerfprodukte. Wir schaffen die Wende und auch die Wirtschaft wird sehen, dass Wachstum nicht alles ist und dass wir vor allem wieder mehr auf unsere Mutter Erde aufpassen müssen. Das wäre meine Vision für den Wintersport in 50 Jahren.
Eine schöne Vision. Ich danke dir für das Interview!
Mehr Informationen zu Dani findet ihr hier und zu Protect our Winters Austria hier.
Teil 1 der Serie „Umweltfreundlicher Wintersport ?!“: Interview mit Arthur DeJong von Whistler Blackcomb
Teil 3 der Serie “Umweltfreundlicher Wintersport ?!”: Interview mit Manfred Scheuermann vom Deutschen Alpenverein
Titelbild von: J. Sedivy