„Jeder hat naturverträglichen Bergsport selbst in der Hand!“

 Teil 3 der Serie „Umweltfreundlicher Wintersport?!“ – Interview mit dem Deutschen Alpenverein

Bergsport- und Naturschutzverband, als das bezeichnet sich der Deutsche Alpenverein selbst. Manfred Scheuermann vom DAV sprach im Interview mit Wild Recreation über die Probleme der Berge heute, wie sich der Wintersport in den nächsten Jahren verändern wird und was unter „naturverträglichem Bergsport“ zu verstehen ist. 

Manfred Scheuermann ©DAV

In dem dritten Teil der Wild Recreation Serie „Umweltfreundlicher Wintersport?!“ haben wir uns mit Manfred Scheuermann, Ressort Naturschutz und Kartografie des Deutschen Alpenvereins unterhalten. Der DAV beschäftigt sich bereits seit Jahren mit dem Thema „Naturverträglicher Bergsport“ und will Vorreiter wie gleichermaßen Ideengeber für Bergsportler aller Art sein. Manfred Scheuermann erzählt, warum es wichtig ist, dass die Menschen in die Berge fahren und stellt fünf Tipps für umweltfreundlichen Wintersport vor.

Vor welchen Problemen stehen die Berge heute?

Die Berge stehen nicht wirklich vor Problemen. Sie sind Teil der Natur. Allenfalls steht der Mensch vor Problemen, die er mit den Bergen hat. Weil er die Berge, die Alpen, die Gebirge besiedelt und sich dort mit den Bedingungen arrangieren muss. Die Berge werden sich immer an die Umweltbedingungen anpassen, aber der Mensch muss damit klar kommen.

Was sind beispielsweise Probleme der Menschen, die sie sich selbsteingebrockt haben?

Es ist klar, dass wir das Klima mit unserem Verhalten weltweit verändern. Das beeinträchtig insbesondere den Wasserhaushalt, die Gletscher gehen zurück und dadurch werden teilweise Erosionsprozesse beschleunigt. Permafrost ist nicht mehr so stark wie er einmal war. Das kann zu Bergstürzen führen. Das ist zwar in erster Linie damit verbunden, dass sich das Klima ändert, aber ganz klar ändert sich dadurch auch die Landschaft der Alpen. Das spiegelt sich schließlich auch im Tourismus wieder. Die Attraktivität der Bergwelt verliert beispielsweise dadurch, dass die Gletscher zurück gehen. Der Mensch, der Tourismus, greift direkt in die Umwelt und das Landschaftsbild ein. Auch durch den Bau von Seilbahnen und durch steigende Übernachtungszahlen. Der Einfluss des Menschen ist einfach sehr stark und somit auch die Folgen, die er dadurch tragen muss.

Der DAV spricht häufig von „Naturverträglichem Bergsport“. Was ist darunter genau gemeint?

Naturverträglicher Bergsport ist Etwas, das jeder selbst in der Hand hat. Das heißt, der Mensch kann sich anpassen und kann sein Verhalten entsprechend umweltverträglich gestalten. Das fängt schon bei der Anreise an. Der DAV propagiert, dass die Menschen möglichst umweltfreundlich in die Berge reisen. Also am besten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Mitfahrgelegenheiten.

Darunter fällt aber auch die Dauer des Aufenthalts. Es ist wichtig, länger in den Bergen zu bleiben. Nicht wie das heute der Trend ist, schnell hinein und schnell wieder hinaus. Lieber längere Aufenthalte einplanen und so auch etwas mitbekommen von dem Kulturraum in dem man sich bewegt. Wenn wir einmal den Fokus auf die Alpen richten: Sie sind kulturell sehr attraktiv und vielfältig. Wir haben viele Regionen, die sich auf kleinstem Raum stark voneinander unterscheiden. Wenn man mit offenen Augen die Alpen bereist und auch einmal etwas länger an einem Ort verweilt statt nur einen Tagesausflug zu machen, dann profitiert man selbst sehr davon. Umweltfreundlich heißt letzten Endes auch einmal bewusst durch die Landschaft reisen, viel mitnehmen und auch Kontakt zu den Menschen vor Ort aufnehmen. Sich austauschen. Das wollen wir als Alpenverein auch unterstützen. Aber wie gesagt, geht der Trend leider genau in die andere Richtung. Immer schneller, immer kürzer, immer näher. Und das hat natürlich die Konsequenz, dass gerade Berggebiete, die gut erreichbar sind, wie die Bayerischen Alpen, sehr stark unter Druck gekommen sind in den letzten Jahren. Weil dort einfach viel mehr Menschen Kurz-Erholung suchen, die Berge sportlich nutzen und weniger das Berg-Erlebnis als Ganzes suchen. Das ist etwas, das aus Umweltsicht natürlich nicht so toll ist. Allerdings muss man da auch das Verhalten entsprechend anpassen.

Da geht der Trend leider auch eher in die entgegengesetzte Richtung. Wenn man im Winter Skitouren geht, sollte man Zeiten beachten, die wichtig sind für Wildtiere. Also Schlaf- und Futterzeiten, die die Tiere dringend brauchen. Diese sind am frühen Morgen und am späten Abend. Derzeit sind zu diesen Zeiten verstärkt Menschen unterwegs, mit neuen hellen Stirnlampen. Abends, nachts, kreuz und quer. Das ist sehr problematisch und da muss etwas dagegen getan werden.


„Umweltfreundlicher Bergsport heißt: bewusst durch die Landschaft reisen.“


Wenn man das jetzt so sieht, kann es dann überhaupt umweltfreundlichen Wintersport geben?

Ja, den kann es auf jeden Fall geben. Nehmen wir das Beispiel Skitouren: Wir haben mit unseren Alpenvereinskarten „Bayerische Alpen“ ein Kartenwerk mit über 22 Blättern herausgegeben. Darin sind Skitouren und Schneeschuhtouren eingezeichnet, aber es sind außerdem Waldwild-Schongebiete gekennzeichnet, die der DAV benannt und ausgewiesen hat. Insgesamt sind das rund 250 Gebiete zwischen Bodensee und Berchtesgaden. Wenn man diesen Routen folgt, die Schongebiete nicht durchquert und sich an die Wildtier-Zeiten hält, dann kann man guten Gewissens seine Skitouren machen. Das ist umweltfreundlich. Aber auch da sollte man die Anreise bedenken und z.B. mit der Bahn fahren oder sich zu Fahrgemeinschaften zusammenschließen. Aber eines ist natürlich klar: Sobald man als Mensch unterwegs ist, greift man immer in die Natur ein. Aber es kann in einem akzeptablen Rahmen stattfinden.

Wir preisen die Berge immer als Ruhepol und als ideale Gegenpole zum stressigen Alltag an. Verschlimmern wir damit das Problem für die Berge nicht, wenn wir immer mehr Menschen dorthin karren?

Der Alpenverein unterstützt den Bergsport. Er ist Bergsport- und Naturschutzverband in einem. Wir freuen uns, wenn die Menschen in die Berge gehen, die Berge erleben, sich in den Bergen erholen. Es ist toll, dass es diese Möglichkeit gibt. Die Berge sind für diverse Sportarten sehr gut geeignet. Wenn man sich anpasst, hat man das ganze Jahr über sehr gute Möglichkeiten. Und auch das ist sehr wichtig. Man sollte sich immer an den aktuellen (Schnee-)Verhältnissen und klimatischen Bedingungen orientieren. Wenn es keinen Schnee gibt, geht man eben wandern. Beachtet man das, dann kann man die Berge vielfältig nutzen.

Welche naturverträglichen Maßnahmen unternimmt der DAV zum Umweltschutz?

1995 hat der Alpenverein z.B. das Projekt „Skibergsteigen umweltfreundlich“ gestartet. Im Rahmen dieses Projekts haben wir uns die gesamten Bayerischen Alpen vorgenommen. Das heißt, wir haben sie von Berchtesgaden bis zum Bodensee zusammen mit dem Bayerischen Umweltministerium und allen vor Ort betroffenen Organisationen bearbeitet und haben uns Gebiet für Gebiet angeschaut. Wir haben uns angesehen, wo sensible Bereiche sind, wo sind Routen, die naturverträglich sind. Ein Wild-Biologe hat dazu eine Empfehlung abgegeben, die wir mit allen Beteiligten vor Ort diskutiert haben und uns im Gelände vor Augen geführt haben. Als Ergebnis daraus haben wir naturverträgliche Routen gekennzeichnet und Waldwild-Schongebiete benannt. Jetzt appellieren wir an die Menschen, sich daran zu halten. Seit 2014 haben wir dazu eine eigene Kampagne, um die Ergebnisse einfach noch stärker zu vermitteln und zu verbreiten. Es gibt viele neue Informationstafeln, im Internet haben wir dazu sehr viel Informationsmaterial und auch über unser Tourenportal „Alpenverein aktiv“. Dort kann man sich auch die amtlichen Wildschutzgebiete ansehen. Wenn man mit diesem Tourenportal plant, kann man sich sicher sein, dass man umweltverträglich unterwegs ist. Unser Ziel ist es, Tourenmöglichkeiten aufzuzeigen, aber auch unseren aktiven Beitrag zu leisten, damit das Ganze naturverträglich abläuft. Dahinter steckt bei uns sehr viel ehrenamtliches Engagement. Das ist eine ganz wichtige Säule.

Zusätzlich kümmern wir uns auch um das Thema „Skitouren gehen auf Pisten„. Wir unterstützen z.B. die Skitourenabende, weil dort das Geschehen gebündelt wird, d.h. dass dort ganz viele Menschen an bestimmten Orten unterwegs sind. Die freigegebenen Pisten eignen sich gut, um sich sportlich zu betätigen und helfen andere Gebiete zu entlasten. Bereits 2003 haben wir dieses Thema aufgegriffen und haben Pläne für Skitouren in den Skigebieten entwickelt. Wir haben ein entsprechendes Regelwerk erstellt und appellieren an die Tourengeher, dass sie sich an diese Regeln halten. Ein Großteil tut es bereits. Und das ist sehr erfreulich.


„Der Wintersport wird sich in jedem Fall verändern.“


Bisher haben wir sehr viel über Skitouren gesprochen. Gibt es auch die Möglichkeit Skifahren in Skigebieten möglichst umweltfreundlich zu gestalten?

Zuerst einmal ist das eine Frage der Infrastruktur, die von den Skigebieten selbst zur Verfügung gestellt wird. Da muss man als Skifahrer selbst entscheiden: Wo fahre ich hin und welches Gebiet erscheint mir als besonders nachhaltig? Wenn mir das wichtig ist, dann werde ich ein Gebiet bevorzugen, das auf Naturschutz Wert legt und nicht mit aller Gewalt, alles erschließt, was irgendwie erschlossen werden kann. Das Angebot ist das Entscheidende. Die Skigebiete sind so oder so ausgebaut. Es gibt auch genügend Beispiele die das gut machen und da sollte man sich vorher einfach informieren. Natürlich sind Skigebiete immer Eingriffe in die Landschaft, in den Naturraum, aber auf der anderen Seite leben natürlich sehr viele Menschen vom Wintersport. Und das ist auch gut so, denn sonst wären die Alpen entvölkert. Der Wintersport ist gerade für die Zentral- und Ostalpen ein sehr hilfreicher Aspekt, der die Abwanderung verhindert hat. In den Süd- oder Südwestalpen sieht man wie teilweise ganze Täler entvölkert sind, weil der Wintersport nicht Fuß fassen konnte. Das ist für die Kulturlandschaft auch nicht zuträglich.
Eigentlich müsste man einen Mittelweg finden: Den Wintersport sicher stellen, aber auf möglichst umweltfreundliche Weise. Leider gehört zur Sicherstellung heute auch meist die Beschneiung. In tieferen Lagen ist die Schneesicherheit ansonsten nicht mehr gewährleistet, das haben wir in den letzten Jahren mehr als deutlich gesehen.

Wird sich der Wintersport in Zukunft verändern? Und wenn ja, wie?

Der Wintersport wird sich in jedem Fall verändern. Man kann schon heute erkennen, dass die großen Skigebiete miteinander konkurrieren, dass man versucht durch Gebietszusammenschlüsse immer noch attraktiver zu werden. Die kleineren Gebiete können da oft gar nicht mehr mithalten. Und wenn sie es tun wollen und selbst weitere Erschließungen vornehmen wollen, dann ist das für den Landschaftsverbrauch massiv.

Was auf jeden Fall auch passieren wird ist, dass es die niedrig gelegeneren Skigebiete immer schwieriger haben werden die Schneesicherheit zu garantieren. Sie werden entweder versuchen in Beschneiungsanlagen zu investieren oder den Punkt erreichen, wo sie das Skigebiet schließen müssen, weil es nicht mehr rentabel ist. Das sieht man z.B. schon in Ost-Österreich, wo mehrere kleine Skigebiete jetzt schon aus Rentabilitätsgründen geschlossen wurden, weil sie die Schwelle zur Beschneiung nicht gehen konnten oder wollten. Das ist ein Prozess, der sich fortsetzen wird. Wir haben leider mit immer weniger Schnee in den Alpen zu rechnen, zumindest in den tieferen Lagen und das wird sich natürlich auf den Skitourismus auswirken. Was die bergsportlichen Gegebenheiten angeht, da muss man sich natürlich auch anpassen. Man wird auch nicht mehr so viele Skitouren in tieferen Regionen gehen können, man wird in höheren Lagen unterwegs sein, wahrscheinlich im Dezember weniger Schnee haben und sich auch da dementsprechend anpassen müssen. Man sieht ja in den letzten Jahren, dass es da schon deutliche Veränderungen gegeben hat.


„Der Ausflug in die Berge muss wieder zu einer Reise werden – nicht bloß zur sportlichen Aktivität.“


Welche fünf Tipps können Sie den Lesern geben, wie sie ihren Wintersport möglichst umweltfreundlich gestalten können?

1. Umweltfreundlich anreisen

2. Länger vor Ort bleiben und auch Kontakt aufnehmen mit den Einheimischen. Der Ausflug in die Berge muss wieder zu einer Reise werden – nicht bloß zur sportlichen Aktivität.

3. Sich in den Gebieten an die Regeln halten und sich an Wildtier-Schongebiete und -Ruhezeiten halten.

4. Mit offenen Augen unterwegs sein. Man erlebt sehr viel, wenn man viel weiß. Wenn man z.B. ein bisschen aufpasst und weiß, wie man Tierspuren liest, dann wird man diese auf Tour auch entdecken. Das ist einfach eine Bereicherung.

5. Guten Gewissens die Bergwelt erleben und genießen! Es ist einfach eine tolle Sache, wenn man gesund ist und das machen kann, was einem Spaß macht. Wir müssen uns der Sache bewusst sein, dass wir unsere Freizeit in den Bergen verbringen können. Das ist einfach ein Riesen Geschenk.

Vielen Dank für die Tipps und das Interview.

Weitere Infos zu den Umweltschutz-Aktivitäten des DAV gibt es hier.

 

Teil 1 der Serie “Umweltfreundlicher Wintersport ?!”: Interview mit Arthur DeJong von Whistler Blackcomb

Teil 2 der Serie “Umweltfreundlicher Wintersport?!”: Interview mit Daniela Hochmuth von Protect our Winters Austria

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