
Klimaschutz wird oft gleichgesetzt mit emissionsarmen Verkehrsmitteln oder Verzicht auf Konsumgüter. Dabei können auch alltägliche Produkte zum Klimaschutz beitragen. Wie zum Beispiel Blumenerde. Warum Moore Klimaschützer sind und was meine Zimmerpflanzen damit zu tun haben.
Baumärkte. Die sind, finde ich, immer so eine Sache. Wenn ich früher mit meinen Eltern hin musste oder heute mit meinem Freund, dann gab es für mich eigentlich immer nur eine Abteilung, die mich so wirklich interessierte: die Blumenabteilung. Ich liebe es durch die verschiedensten Pflanzen zu stöbern, die Textur ihrer Blätter unter meinen Fingern zu spüren und ihren Duft in dem sonst nach Metall und Putzmittel riechenden Markt einzuatmen. Meistens schafft es dann auch immer eine Pflanze mit in den Einkaufswagen. Was dazu gehört? Klar, Blumenerde. Einmal ins Regal gegriffen und zack ab damit nach Hause in den Garten. Was da so genau drauf steht, darüber habe ich mir früher eigentlich kaum Gedanken gemacht. „12 Wochen Nährstoffversorgung“ oder „Natürliche Atmungsflocken“ klangen vielversprechend und nach einem möglichst langen Leben für meinen neuen Mitbewohner. Stutzig machte mich das wenig, auch nicht, dass daneben auch Blumenerde lag mit dem kleinen Vermerk „Torf frei“. Bis ich meine Frage an Google oder natürlich besser Ecosia stellte: „Wieso Torf in Blumenerde?“
Torf: Gut für Zimmerpflanzen schlecht für das Klima?
Kurz gesagt ist Torf eine spezielle Art von Erde, die nur in Mooren entsteht. Er besteht zu einem Großteil aus organischen Substanzen wie Pflanzenresten und sorgt so dafür, dass sich schnell Humus bildet. Außerdem kann er viel Wasser speichern.
Allerdings wird Torf durch die Trockenlegung und den Abbau von Mooren gewonnen. Sie sind wichtige Biotope mit einer reichen Artenvielfalt und außerdem binden sie große Mengen an CO2. Im Schnitt sind das laut Umweltbundesamt etwa 700 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar. Das sind sechsmal so viel wie Wald. Obwohl sie weltweit etwa nur eine Fläche von drei Prozent einnehmen, speichern sie rund ein Drittel des gesamten im Boden gebundenen Kohlenstoffs.
Moore binden etwa 700 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar – sechsmal so viel wie Wald.
Umweltbundesamt
Wenn wir jetzt also Blumenerde kaufen, die zum Großteil aus Torf besteht, werden Moore, die über Jahrhunderte oder Jahrtausende entstanden sind entwässert. Dabei wird dann nicht nur Lebensraum von Tieren und Pflanzen zerstört, es entweicht auch CO2. Der Torfabbau ist so mindestens für sechs bis sieben Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Es wird aber gerade darüber diskutiert, ob sie nicht sogar bis zu 30 Prozent für die vom Menschen gemachten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. In Deutschland sind heute circa 90 Prozent der Moore degradiert und emittieren daher CO2.
Das Murnauer Moos – Naturschutz = Klimaschutz
Kurz vor diesem Schicksal stand auch das Murnauer Moos. Eingebettet zwischen Garmisch-Partenkirchen im Süden und Murnau am Staffelsee im Norden ist es mit 4200 Hektar der größte zusammenhänge Moorkomplex Mitteleuropas. Hier leben rund 1.800 Tierarten und 1.000 Pflanzenarten, darunter sind über 160 auf der roten Liste. Bei Murnau ragen parallel zur Alpenlinie die Grate der Faltenmolasse auf. Sie widerstanden den Gletschervorstößen und bildeten den Rand eines großen Beckens, das sich mit Geröll füllte und Wasser nur langsam abfließen lässt. Je nach Feuchte und Untergrund entstanden darin unterschiedliche Moortypen.
In flächig vom Grundwasser durchströmten Bereichen Niedermoore, in dauerhaft staunassen Zonen auch Hochmoore. Stellenweise ist das Grundwasser zusätzlich aufgestaut, etwa durch die aus der Tiefe aufragenden Köchel. Südlich der eiszeitlichen Rundhöcker quillt das Grundwasser förmlich aus dem Boden und bildet kleine Quellseen und -moore.
Für die Bauern bedeutete das Moor seit jeher viel Arbeit, wenig Ertrag. Sie beschränkten sich darauf, die weniger nassen Flächen einmal jährlich zu mähen und das magere Heu als Einstreu zu nutzen. Im Lauf der Jahrhunderte entstanden dadurch artenreiche Feuchtwiesen, die das ökologische Portfolio der Gegend eher bereicherten. Im 19. und 20. Jahrhundert griffen dann neue Techniken: Industrieller Torf- und Gesteinsabbau, Entwässerung und Melioration setzten dem Murnauer Moos stark zu.
Bis zum Jahr 1992. Denn von 1992 bis 2003 war es eines der größten Naturschutzprojekte der Bundesrepublik Deutschland. Unter der Leitung des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen wurden in 12 Jahren etwa 15 Millionen Euro investiert, um Flächen anzukaufen, die Voraussetzungen für eine naturnahe Entwicklung wiederherzustellen und Pflegemaßnahmen durchzuführen. Das war vor allem auch der Verdienst der Botanikerin Ingeborg Haeckel. Über Jahrzehnte setzte sie sich bei Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit für die Moorlandschaft ein. Trotz Bergbau, Torfstich, Landwirtschaft und anderen Nutzungsansprüchen blieb das Murnauer Moos bis heute eine sehr naturnahe Kulturlandschaft und ist seit 1980 als Naturschutzgebiet und Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen.
Diese Ausweisung ist nach neuestem Stand der Klimaforschung auf bitter notwendig. Denn der Weltbiodiversitätsrat IPBES warnt davor, dass der Verlust der Artenvielfalt und die Zerstörung von Ökosystemen Klimakatastrophen begünstigen kann. Allerdings können intakte Ökosysteme zugleich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wie z.B. intakte Moore CO2 speichern können. Und es das Murnauer Moos heute kann.
Das Murnauer Moos als Naturschutz- und Naherholungsgebiet
Als ich am Eingang des Murnauer Mooses stehe, kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Fläche einmal abgebaut werden sollte und dass hier eine Mülldeponie entstehen sollte. Zu wild sieht es aus. Zu ursprünglich. Heute ist es Naherholungsgebiet, es gibt Moos-Führungen und nicht einmal überall ist Radfahren erlaubt. Sechs ausgeschilderte Wanderungen führen durch das Moos und eine biologische Station informiert über die dort lebenden Tiere und Pflanzen. Wenn ich durch diese Landschaft hier laufe, kann ich mir nicht vorstellen, dass man so etwas für Blumenerde zerstören kann. Ich glaube meine Zimmerpflanzen schaffen es auch ohne Torf. Wir schaffen es aber vielleicht nicht ohne Moore.
Weitere Informationen zum Murnauer Moos findest du bei der Tourismus Information Murnau und der Biologischen Station Murnauer Moos.