
Faire und nachhaltige Lifestyle-Mode ist gerade mehr als angesagt. Immer mehr Labels springen auf den Trend auf – zuletzt selbst der Online-Versandriese Zalando. Oft erinnert das aber leider eher an Greenwashing als an eine echte Fashionrevolution. Drei Münchner, die es anders machen wollen, sind The URA Collective: Im Interview sprechen sie darüber, warum sie auf bedachte Mode und recycelte Stoffe setzen.
Erzählt doch mal kurz: Was ist The URA Collective?
In einem Satz: The URA Collective steht für nachhaltige Mode aus Reststoffen. Unser Name setzt sich aus ”useful rag“ zusammen, was so viel heißt wie ”nützlicher Lumpen“. Damit möchten wir unser Vorhaben, Mode ausschließlich aus Reststoffen zu produzieren, verdeutlichen. Wir greifen auf hochqualitative Stoffe zurück, die beim Produzenten liegen bleiben und für die üblichen Kunden von der Menge her einfach zu gering sind. Dadurch vermeiden wir weitere Produktionsabfälle, reduzieren die Aufwendungen neue Stoffe zu produzieren und schonen somit die Umwelt. Das macht zwar einiges komplizierter für uns, da die Farbwahl und die Stückzahlen sehr limitiert sind, hat aber auf der anderen Seite auch wieder enormes Potential, um neue Lieblingsstücke zu kreieren und somit die Modeindustrie positiv mit zu verändern.
„Dadurch vermeiden wir weitere Produktionsabfälle, reduzieren die Aufwendungen neue Stoffe zu produzieren und schonen somit die Umwelt.“
Und wer seid ihr?
Wir sind drei Freunde, die alle im Süden von München groß geworden sind. Ich, Florian, bin bei uns für die Fotos zuständig und verwalte unseren Online-Shop und Web-Auftritt. Nick kümmert sich größtenteils um das Geschäftliche und Nadine ist für das Design und den Schnitt der einzelnen Teile da. Nick und ich sind beruflich bedingt viel am Berg und in der Natur unterwegs. Nachdem ich meine Abschlussarbeit über das Thema Nachhaltigkeit beendet hatte, war mir klar, dass da etwas gemacht gehört. Umso mehr wir uns mit dem Thema beschäftigten, änderte sich schnell unser Bewusstsein über Konsumverhalten und Nachhaltigkeit, was uns mehr und mehr dazu bewegt hat dieses Projekt zu starten.

Habt ihr euch schon immer für umweltfreundliche und faire Bekleidung interessiert?
Unser Bewusstsein hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr aufgebaut. Vor allem in der Hinsicht, was wirklich nachhaltig ist oder nur vorgibt nachhaltig zu sein, um auf den Zug auf zu springen. Ich denke, dass das Interesse bei uns allen irgendwo von Anfang an da war, sich aber mit der einhergehenden Recherche über den Textilmarkt dann doch noch mal sehr krass verschärft hat. Ich war noch nie in irgendwelchen Fast-Fashion Läden, wie man sie so kennt. Aber als uns wirklich klar wurde, was da alles so schief läuft, war uns schlagartig bewusst, dass wir sogar aktiv etwas dagegen unternehmen wollen.

Wie seid ihr darauf gekommen eure T-Shirts und Sweater ausschließlich aus Reststoffen zu produzieren?
Nick und Nadine haben bereits früh angefangen ihre Klamotten selbst zu schneidern. Oder einfach auf blanke T-Shirts eigene Applikationen aufzunähen. Ich fand die Idee von Anfang an ziemlich cool und uns war allen klar, dass wenn wir etwas aufziehen wollen, es nachhaltig und im Einklang mit der Natur sein soll. Also haben wir versucht Produzenten zu finden und haben es am Ende geschafft sogar noch nachhaltiger zu produzieren, als Firmen, die nur herkömmliche Bio-Baumwolle und keine Reststoffe verwenden.
Was würde sonst mit den Reststoffen passieren?
Herkömmliche Produzenten würden die Reste einfach verbrennen oder wie sonstigen Abfall entsorgen. Unser Produzent Hemp-Fortex handhabt das anders. Dort wurde extra ein großes Lager gebaut, um die alten Stoffe zu sichern und an Universitäten für Modedesign-Studenten zu spenden. Und jetzt arbeiten eben auch wir mit den Stoffen, um noch einmal etwas Besonderes & Hochwertiges daraus zu kreieren. Der Chef der Firma hängt einfach so sehr an seinen Stoffen und den Weg, den diese bis zum Endprodukt gehen, dass er sie nicht wie Müll behandeln möchte. Obwohl es für ihn um einiges günstiger wäre diese einfach zu entsorgen.
„Dabei werden im kompletten Prozess die höchsten Öko-Standards eingehalten, ebenso wird sehr auf eine faire Arbeitssituation der Angestellten geachtet.“
Achtet ihr bei den ausgewählten Stoffen trotzdem darauf, dass sie fair und umweltfreundlich sind?
Wir sind im Frühjahr extra nach China geflogen, um Material zu sammeln und uns selbst ein Bild von der Situation zu machen. Die Lage vor Ort ist so: Hemp-Fortex kümmert sich zu 100 Prozent um Aussaat, Anbau, Ernte, Weiterverarbeitung bis hin zur Verpackung und dem Versand zu uns. Also eine komplett vertikale Produktion, welche – vor allem in der Textilindustrie – extrem rar ist. Dabei werden im kompletten Prozess die höchsten Öko-Standards eingehalten, ebenso wird sehr auf eine faire Arbeitssituation der Angestellten geachtet. Es war zum Beispiel sehr schön zu sehen, wie die Mitarbeiter einzeln von Zuhause abgeholt, in der Mittagspause frisch bekocht und abends wieder nach Hause gebracht wurden. Ein anderes Beispiel ist, dass der komplette Betrieb zu 100 Prozent mit Solarenergie betrieben wird. Hinzu kommt, dass die komplette Produktion Teil der Fair-Wear Foundation ist. Das ist das höchste Gütesiegel in der Industrie.

Der zweite Punk ist, dass unsere T-Shirts und Sweater aus einer Mischung aus Hanf & Bio-Baumwolle bestehen (Größtenteils ein Hanfanteil von 54%). Hanf hat keine besonderen Ansprüche an die Bodenqualität und wächst fast überall. Das erweitert schon einmal die möglichen Anbauorte und ist nicht an besondere Klimata gebunden. Zusätzlich laugt Hanf, aufgrund seiner Selbstverträglichkeit, keine Böden aus, gilt aber selbst als hervorragende Vorfrucht. Das bedeutet, es ist ein perfekter Vorreiter für andere Pflanzen, weil er die Bildung von Unkraut unterdrückt, und durch sein verzweigtes Wurzelsystem den Boden auflockert. Allein der viel geringere Wasser- und Energieverbrauch, im Vergleich zu Baumwolle oder Polyester, macht Hanf zur besseren Alternative, aber das ist noch nicht alles: Hanf ergibt 250% mehr Fasern pro Acker und besitzt die einzigartige Eigenschaft von Haus aus resistent gegen jegliche Schädlinge zu sein. Dadurch benötigt Hanf überhaupt keine Chemikalien. Das macht ihn zur natürlichen Ökofaser. Wer noch mehr über das Thema und die Faserbeständigkeit von Hanf erfahren möchte, der findet dazu viele Informationen auf unserer Website.
„Die Fashion-Industrie hat sich nicht umsonst, nach der Öl-Industrie, zur zweit umweltschädlichsten Industrie der Welt entwickelt.“
Ihr sagt von euch selbst, dass ihr „bedachte Mode“ macht? Was bedeutet das?
Wir reden selbst viel davon Verantwortung für den eigenen Konsum zu übernehmen. Natürlich sind wir glücklich, wenn jemand unsere Produkte gut findet und sie aus Überzeugung kauft. Trotzdem verteufeln wir den Fast Fashion-Trend und möchten deshalb bedachten Konsum kommunizieren. Es ist uns viel wichtiger ein paar Lieblingsstücke im Schrank zu haben, als sich jede Woche vier neue T-Shirts in schlechter Qualität zu kaufen. Den meisten Menschen ist es oft gar nicht bewusst, was sie mit unbedachtem Konsum auf dem Planeten anrichten. Die Fashion-Industrie hat sich nicht umsonst, nach der Öl-Industrie, zur zweit umweltschädlichsten Industrie der Welt entwickelt. Wir werden uns in Zukunft sogar noch mehr für nachhaltige Projekte auf der ganzen Welt einsetzen, um diesen Trend noch stärker entgegen zu wirken. Sprich mit bedachten Konsum kannst du dich sogar aktiv für den Schutz des Klimas einsetzen und erhältst gleichzeitig noch ein qualitativ hochwertiges Kleidungsstück.

Danke für das Interview, Flo.
Wenn ihr noch mehr über The URA Collective und die Entwicklung der Textilindustrie erfahren wollt, schaut auf der Webseite oder im Onlineshop vorbei.
Titelbild: The URA Collective