Warten auf den Schnee

Bricht der kalt-nasse Herbst über das Voralpenland herein, bedeutet das nicht nur, dass der Sommer ab jetzt endgültig vorbei ist, sondern dass der Winter in greifbarer/skibarer Nähe liegt.

Meine Hände klammern sich an den Lenker. Die Gelenke treten weiß hervor. Die Finger sind bereits rot gefärbt. Die Kälte kriecht in mich. Immer weiter. Der Fahrtwind tut das Restliche. Der Regen läuft über meine Jacke und sammelt sich in einer kleinen Pfütze auf meinem Oberschenkel. Mit jedem Tritt wird die nasse Stelle auf meiner Jeans größer. Wächst immer weiter. Ich stehe auf, trete noch einmal zusätzlich und schaffe es gerade über die grüne Ampel. Gelbrote Blätter vermischen sich mit dem Regen und fallen zu Boden. Menschen hasten über die Straße und versuchen sich vor dem Regen und dem Sturm in Sicherheit zu bringen. Halten sich an ihren Regenschirmen fest und ziehen ihren Schal noch einmal fester zu.

Der Herbst ist da. Und nicht diese goldene Jahreszeit, die nach einem heißen Sommer alle herbei sehnen. Es ist dieser ungemütliche. Der Herbst mit dem Sturm, der die Bäume zum Einsturz bringt. Die Jahreszeit mit der feuchten Kälte, die bis in alle Glieder einfährt, weil man selbst noch nicht an diese Temperaturen gewöhnt ist. Und diese graue Zeit, in der man nie sicher sein kann, ob es im nächsten Moment schon zu regnen beginnt und man nicht mehr trocken um die nächste Straßenecke kommt. Das Gute daran? Beziehungsweise fragst du dich jetzt bestimmt, was es überhaupt schönes an dieser Jahreszeit geben soll, außer sich zuhause auf die Couch zu kuscheln und Tee zu trinken.


„Dieses langersehnte weiße Pulver, das die Berge umhüllt.“


Die Kälte, die einem beim Fahrrad fahren in der Stadt in die Knochen kriecht und die Finger und Nase rot färbt, bringt den Schnee. Dieses langersehnte weiße Pulver, das die Berge umhüllt. Eine jungfräuliche Leinwand auf jeden Hang zaubert und nur darauf zu warten scheint mit Ski darauf seine ganz persönliche, individuelle Linie zu zeichnen. Der Regen, der meine Jeans Tropfen um Tropfen durchnässt, bedeutet die ersten weißen Gipfel. Für mich ist das die Jahreszeit, in der ich langsam unruhig werde. Meine Ski zurecht mache. Meine Skiklamotten aus dem hintersten Teil des Schranks hervor hole und zum ersten Mal wieder in meine Skischuhe steige (Das ist eher eine Hass-Liebe, wie ich zugeben muss). Die Wetterseiten der Skigebiete gehören von da an zu meiner täglichen Routine am Morgen. Fast wie Zähneputzen. Wenn ich die ersten Skimagazine Mitte September endlich in meinen Händen halte, kommt wieder diese kindliche Vorfreude in mir hoch. Wie jedes Jahr.


„Die Ski gleiten durch den Schnee und lassen mich tanzen.“


Ich aktiviere den Powderalarm auf meinem Handy und fange an zu träumen: Von diesem klackenden Geräusch, wenn die Skischuhe das erste Mal in der Bindung einrasten. Dem Klicken, wenn ich die letzte Skischuhschnalle schließe und diesem sanften Druck, den meine Skibrille auf mein Gesicht ausübt. Nicht zu fest, aber ich weiß, dass sie da ist. Dieses Gefühl, mit der Hand in den warmen Handschuhen, den Griff des Stocks zu umschließen. Sicher zu halten. Und mich dann mit beiden Armen abzudrücken. Einzutauchen in eine so andere Welt. Eine schwerelose Welt. Die Ski gleiten durch den Schnee. Ziehen ihre/meine Spur durch das fluffige Gebilde aus Eiskristallen, gefrorenem Wasser und lassen mich tanzen. Für einen Moment untertauchen. In das unendliche Weiß. Die Bergwelt. Das lässt mich alles vergessen. Und ich bin nur darauf bedacht den nächsten Schwung zu setzen und mich treiben zu lassen. Den Fahrtwind in den Haaren zu spüren und den aufstiebenden Schnee im Gesicht …

Deswegen ist der Herbst nicht ganz so schlimm. Genauer gesagt ist er meine Lieblingsjahreszeit. Er ist der Vorbote für etwas Großes. Für den nahenden Winter, den langersehnten Powder und für das Gefühl, wenn mich endlich die beiden Bretter unter meinen Füßen in eine fremde, aber doch so vertraute, Welt eintauchen lassen. Auf den kommenden Winter und dass er groß wird!

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