
„A long journey on the road“ ist die Definition eines Roadtrips laut Wikipedia. Die Reise mit dem Auto über Land. Und vor allem über weite Teile davon. Früher waren Roadtrips Mittel zum Zweck. Man musste lange Strecken zurücklegen, um überhaupt irgendwohin zu kommen, Verwandte oder Freunde zu besuchen. Besorgungen zu machen. Das war die ursprüngliche Motivation. Heute ist ein Roadtrip meist ein kompletter Urlaub. „Wir machen einen Roadtrip durch Kalifornien, British Columbia, Europa, Timbuktu oder sonstiges.“ Das bekommt man meist zu hören. Um die Landschaft zu sehen, Land und Leute kennenzulernen und wohl so viele Ziele wie möglich in einen meist zweiwöchigen Aufenthalt zu packen.
Aber Roadtrips sind nicht einfach Roadtrips. Man muss sich darauf einlassen. Muss sich von dem Gedanken verabschieden nur das nächste Ziel vor Augen zu haben. Muss den Blick schweifen lassen. In die Ferne. An den Wegesrand. Und vor allem muss man beobachten können. Wie die Landschaft unaufhörlich an einem vorbei zieht. Sich Felder mit Wiesen, Flüssen, Seen, Bergen, Wäldern und Ortschaften abwechseln. Unweigerlich stellt man sich dabei immer vor, wie wohl die nächste Straße in dem Ort aussieht. Wer wohnt dort? Was sind das für Häuser? Und was arbeiten die Leute wohl dort? Was machen sie gerade? Man ist ein Reisender. Durchreisender.
Es ist dieser eigene Mikrokosmos in dem man sich befindet. Alles wichtige ist im Auto, alles mit dabei. Das Zelt, Gepäck, etwas zu essen. Man hält wo man Lust hat. Entdeckt einen versteckten See beim Mittagessen oder verfährt sich und findet eine einsame Bucht. Alles ist möglich, man muss es nur zulassen. Muss die Gedanken ziehen lassen. Das Fokussiert-Sein vergessen. Sich schlichtweg treiben lassen. Sich den Bären vorstellen, der gerade durch den Wald am Ende der Straße streunt. Die Wale, die durch die Bucht ziehen. Mann muss das Unbekannte zulassen.
Fahren wir beispielsweise von München an den Gardasee, ist das für mich kein Roadtrip. Ich fahre kurz und knapp nach Italien. Ohne Umschweife und über den Brenner. Da kommt zuerst Garmisch, dann Innsbruck, die Abzweigung ins Stubaital, der Brenner, das Brenner-Outlet, Sterzing, Bozen. Und dann ist es auch bald schon so weit. Das kennt man, das ist man schon ungefähr 1.000 Mal gefahren. Das ist nichts Neues.
Und ich glaube genau da liegt der Knackpunkt. Es muss etwas Neues, Unbekanntes sein. Beziehungsweise nicht unbedingt etwas Neues. Man muss etwas entdecken können. Erforschen. Ein bisschen Abenteuer erleben. All-Inclusive-Urlaub auf Mallorca kann schließlich jeder. Wir machen jetzt mal was Verrücktes. Ein Abenteuer. Wie die jungen Leute. Das sagen sich die Pauschal-Roadtrip-Touristen. Dabei endet es dann meistens damit, dass nicht nur das Auto in Deutschland bereits gebucht wurde (denn das ist auch wirklich sinnvoll), nein, auch jedes einzelne Hotel, jede Aktivität und was man sonst noch alles vorab buchen kann. Die Route ist ausgewählt. Liegt dreimal ausgedruckt bei den Reiseunterlagen. Die Fahrtzeiten sind eingetragen und die Aufenthaltsdauer an den Zwischenhalten. Meist ist auch schon eingetragen, wo man unterwegs anhalten kann und wo es gute Restaurants und Verpflegungsmöglichkeiten gibt. Es ist durchdacht. Womöglich bis zur letzten Tankstelle. Man kann ja auch schon vorab recherchieren, wie viel das Benzin wo kostet. Bloß keine Unsicherheit eingehen und wenn möglich keine Spontaneität aufkommen lassen.
Denn neben dem Unbekannten, ist die Spontaneität das Ausschlaggebende. Die spontanen Stopps, die unerwarteten Wendungen, Unvorhersehbares, das einen zum Ändern der Route zwingt. Das macht einen Roadtrip aus. Schließlich sind es meist die unerwarteten Dinge, die uns am längsten im Gedächtnis bleiben. Die wir zuhause erzählen und die am Schluss die Reise besonders machen. Es sind die verrückten Orte, die man gefunden hat und wo man sich später fragt, wie man es dorthin geschafft hat. Lässt man sich darauf ein, ist es fast das Einfachste der Welt. Einfach zu reisen. Zu streunen. Abenteurer zu sein.
In diesem Sinne: Stay Wild!