SCHNEE von MORGEN: Im Gespräch mit Protect Our Winters, dem Deutschen Skiverband und der Stiftung Sicherheit im Skisport 

Wolken über schneebedeckten Bergen

Unser Klima wandelt sich und mit ihm auch die Rahmenbedingungen für unseren Sport. Wir haben uns mit Ana Zirner und Mats Mosel von Protect Our Winters Germany sowie Lilli Schmitt, Johanna Schumann, beide zuständig für das Nachhaltigkeitsmanagement im Deutschen Skiverband und Prof. Dr. Ralf Roth, Vorsitzender der Stiftung Sicherheit im Skisport zum Interview getroffen. Wir haben uns die Frage gestellt, wie der Wintersport der Zukunft aussieht, was Organisationen und Verbände dazu beitragen können und wie Wintersport enkeltauglich geht. 

Wird es den Wintersport, so wie wir ihn jetzt kennen in 50 Jahren noch geben?

Ana Zirner: Ich denke nicht. Bereits heute ist der Wintersport nicht mehr so, wie ich ihn in meiner Kindheit kannte. Die Veränderungen sind deutlich und werden in den nächsten 50 Jahren noch drastischer ausfallen.

Lilli Schmitt: Ich sehe das ähnlich, denke aber, dass der Wintersport unter veränderten Bedingungen weiterbestehen wird, vor allem in höheren Lagen über 1.500 Metern. Wir müssen jedoch Anpassungen vornehmen und uns auf neue Bedingungen einstellen.

Prof. Dr. Ralf Roth: Allerdings: Wir haben die räumliche und zeitliche Ausdehnung des Winters noch selbst in der Hand. Wenn wir uns jetzt als Weltgemeinschaft sehr schnell und über das Pariser Klimaabkommen hinaus zu drastischen Maßnahmen durchringen.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Verbänden wie dem DSV und Organisationen wie POW aus?

Mats Mosel: Wir haben heute einen großen Schritt gemacht, indem wir uns getroffen und kollaborativ Gedanken gemacht haben. Es ist wichtig, zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Beide Organisationen teilen die Leidenschaft für den Wintersport und wollen seine Zukunft sichern.

Prof. Dr. Ralf Roth: Das gemeinsame Ziel ist es ins Handeln zu kommen. Wir sind ein Stück weit dankbar, dass es Organisationen wie POW gibt, die uns hin und wieder den Spiegel vorhalten und zeigen, wo wir weiter Gas geben können – auch auf der politischen Ebene. Gleichwohl bilden wir das Thema schon seit vielen Jahren selbst ab, allein aus unserer Verantwortung als Verband. Es werden sich bestimmt die ein oder anderen Projekte ergeben und vielleicht bekommen wir zusätzlich noch weitere Impulse. 

Berge schneebedeckt im Winter

Wie können Wintersportler:innen verantwortungsbewusst agieren?

Lilli Schmitt: Möchte ich meinen Sport nachhaltig ausüben, kann ich mir folgende Fragen stellen: Wie reise ich an? Wie weit reise ich an? Wie lange bleibe ich vor Ort? Wie nutze ich mein Equipment? Wie pflege ich es? Wie wurde es hergestellt? Wo übernachte ich? Es gibt so viele Stellschrauben für jede einzelne Person, nicht nur im Wintersport, sondern im Bezug auf die Freizeitgestaltung insgesamt. 

Oft wird der Wintersport als Klimasünder dargestellt. Was können die unterschiedlichen Stakeholder:innen zu einer positiven Wahrnehmung des Wintersports in der Gesellschaft beitragen?

Prof. Dr. Ralf Roth: Ich denke es ist nicht notwendig für das Erlebnisgut Schnee an sich zu begeistern. Die Sehnsucht danach ist enorm hoch, vor allem je wärmer es wird. Aber zu unseren Grundaufgaben zählen sicherlich der Zugang zu Schnee, die Leistbarkeit und Bezahlbarkeit dieses Gutes und diese Themen mit unserem Umgang mit dem Klimawandel zu verbinden. Wir müssen uns an die Rhythmen der Natur anpassen und dann unseren Sport ausüben wenn ausreichend Schnee liegt. Es wird in dieser Entwicklung auch Sieger geben: Die höhergelegenen Gebiete mit größerer Schneesicherheit werden die Sehnsuchtsräume sein und es wird immer exklusiver werden. 

Ergänzen möchte ich das noch mit einem Bild aus der Tiefenpsychologie: Winterurlaub ist eine Auszeit aus dem überkultivierten Alltag, der uns in eine verzauberte Welt entführt. Dieses generationsübergreifende Erlebnis, bei dem Zweijährige und 99-Jährige gemeinsam aktiv sein können, ist einzigartig.

Wir müssen uns an die Rhythmen der Natur anpassen und dann unseren Sport ausüben wenn ausreichend Schnee liegt.

Prof. Dr. Ralf Roth

Johanna Schumann: Kommunikation und Wahrnehmung finden auf mehreren Ebenen statt. Einerseits müssen wir die Diskussion versachlichen und wissenschaftliche Erkenntnisse nach außen tragen. Andererseits müssen wir als Verband wirkungsvolle Maßnahmen umsetzen, unseren eigenen Fußabdruck reduzieren und die positiven Leistungen des Sports betonen. Der Sport kann als Katalysator zur Sensibilisierung und Bildung im Bereich Klimaschutz beitragen.

Muss die Politik mehr in die Umsetzung kommen bzw. haben Sie als NGO den Eindruck hier entsprechend Gehör zu finden?

Mats Mosel: Das Thema an sich ist auf jeden Fall angekommen und eine Form der Kommunikation, die ganz gut funktioniert ist eine Analogie aus dem Sport. Nach dem Motto:„Lasst uns doch einen Klimatrainingsplan entwickeln.“ Im Sport haben wir auch oft ambitionierte und größere Ziele und auf dem Weg dahin gibt es viele Zwischenziele. Diese Analogien wurden in Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern sehr gut angenommen. 

Prof. Dr. Ralf Roth: Ich fände es spannend, Sportpolitik und Klimaschutzpolitik zu verbinden, da Sport Lösungen für gesellschaftliche Probleme wie Integration und Bildung bieten kann. Wir sollten versuchen beide Bereiche als transformative Treiber zusammenzuführen. Aktuell wird der Einfluss des Sports jedoch nicht ausreichend gewürdigt. 

Der DSV kümmert sich um Breiten- und Leistungssport. POW hat 2023 gemeinsam mit Weltcup-Fahrer:innen einen offenen Brief an die FIS verfasst. Wie lässt sich Profisport umweltgerecht und enkeltauglich ausüben und umgestalten? 

Lilli Schmitt: Leistungssportler haben eine wichtige Rolle, um positive Beispiele zu setzen, doch es darf nicht vergessen werden, dass ihre Existenz von ihrem Sport abhängt. Es ist wichtig, ihre besondere Situation zu berücksichtigen, da ihre Reisen und Trainings Teil ihres Berufes sind. Öffentliche Aufmerksamkeit ist gut, sollte jedoch nicht die individuelle Verantwortung der Sportler übermäßig belasten.

Mats Mosel: Profisportlerinnen und Profisportler sind öffentlich bekannt und können durch ihre Statements und Positionen viel bewirken, ihr Handeln viele Menschen motivieren und inspirieren, insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit. Auch wenn ihr Sport und Lebensstil nicht perfekt nachhaltig sind, können sie durch ihre Bekanntheit und Engagement positive Effekte erzielen. Ihre Stimme ist entscheidend, um wichtige Themen effektiv zu transportieren. POW ist ja zum Beispiel auch durch Athletinnen und Athleten entstanden. Ganz im Sinne der gelebten Widersprüche als Wintersportler und Wintersportlerinnen und einer hier in Deutschland imperfekt nachhaltigen Lebensweise, spricht sich POW dafür aus, gerade deshalb die eigene Stimme für eine klimagerechte Welt zu erheben.

Ana Zirner: Uns geht es zum Beispiel auch nicht darum, Flüge im Profisport komplett zu vermeiden, sondern vielleicht den Rennkalender so anzupassen, dass weniger geflogen werden muss. POW Europe, unser Dachverband, fordert beispielsweise dringend von der FIS transparente und korrekt kalkulierte Zahlen zu ihrem CO2-Fußabdruck. Denn man kann immer versuchen sich im Rahmen des Möglichen zu verbessern – und da ist noch Potenzial nach oben.

Viele Alpenregionen leben zu großen Teilen vom Tourismus und die Branche ist ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die Folgen des Klimawandels wirken sich auch unmittelbar auf den Tourismus aus, denken wir beispielsweise an schneefreie Weihnachten. Was ist jetzt zu tun, um auch wirtschaftliche Folgen des Klimawandels vielleicht noch gering halten zu können?

Lilli Schmitt: Aus meiner Sicht ist es notwendig den Tourismus weniger saisonal, sondern ganzjährig aufzustellen.

Prof. Dr. Ralf Roth: Der Winter trägt erheblich zur Wertschöpfung bei. Ohne ihn droht ein Rückgang auf eine Sommersaison, was Arbeitsplätze und Dienstleistungen im ländlichen Raum gefährdet. Wir müssen den Transformationsprozess angehen und über Klimaschutz nachdenken.

Berge mit Schnee in Sonnenuntergang

Wie können wir gemeinsam den Wintersport zukunftsfähig gestalten?

Ana Zirner: Indem wir alle Verantwortung übernehmen. 

Mats Mosel: Time to act. 

Prof. Dr. Ralf Roth: Nachhaltigkeit heißt letztendlich Handeln und nur darüber zu sprechen reicht auch im Land der Dichter und Denker nicht.

Über Protect our Winters (POW)

Protect Our Winters Germany vereint die Outdoor-Community im Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel und für einen verantwortungsvollen Umgang mit unserer Bergwelt. Wir sind eine Gemeinschaft aus passionierten Sportler:innen, kreativen Pionieren, engagierten Freiwilligen und Unternehmen. Unser Ziel ist es, durch positive Kommunikation, Sensibilisierung und Klimabildung, sowie durch politische Aufklärungsarbeit, das Engagement der Outdoor Gemeinschaft für den Klimaschutz zu stärken und somit einen sozial-ökologischen Wandel in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu bewirken.

Mehr Informationen: protectourwinters.de

Über SIS/DSV-Beirat für Umwelt und nachhaltige Skisportentwicklung

Bereits 1987 hat der DSV als erster Deutscher Sportverband einen „Beirat für Umwelt und nachhaltige Sportentwicklung“ eingerichtet. Die Stiftung Sicherheit im Skisport ist hier seit Jahren das Kompetenzzentrum für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsprojekten in allen Handlungsfeldern. Der Beirat arbeitet eng mit Experten zusammen und führt Studien durch, um die Auswirkungen der eigenen Aktivitäten zu analysieren und zu minimieren. Zudem gibt es beispielsweise das Expertenforum Klima.Schnee.Sport. 

Mehr Informationen: stiftung.ski

Dieser Beitrag ist erstmals im Ski & Berge Magazin des Deutschen Skiverbands erschienen.

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