
Rückzug und Erholung wird für uns in der heutigen Zeit immer wichtiger. Als einer der beliebtesten Rückzugsorte gelten dabei auch heute immer noch die Berge. Sie locken mit zahlreichen Aktivitäten und mit mindestens ebenso vielen Übernachtungsmöglichkeiten. Doch hat man sich einmal für ein Reiseziel entschieden, so bleibt bei vielen die Grundsatzfrage – Zelt oder Suite?
Unsere Welt ist verstädtert. Die Urbanisierung schreitet immer weiter voran. Arbeit gibt es fast nur noch in den Ballungsräumen und dort gibt es ebenso viele Menschen. Im Alltag rückt die Natur, die Ursprünglichkeit immer mehr in den Hintergrund. Das hat zur Folge, dass teilweise eine Stadt-Land-Flucht entsteht, dass aber auch viele ihr urbanes Leben genießen. Allerdings ist in diesem Zuge auch zu beobachten, dass immer mehr Menschen an den Wochenenden in die Berge fliehen. Und da brauchen wir uns nichts vorzumachen.
Der Urlaub in den Alpen wird immer beliebter. War es früher die Sommerfrische der städtischen Aristokratie, so ist es heute die Flucht der Städter in die Natur. Heute ist es nicht das Flanieren, sondern der Bergsport, der uns antreibt. Die Natur, die uns die Ruhe und Kraft gibt, die Stadt zu überleben und dem Alltag zu entfliehen. Packt man Freitagnachmittag nach der Arbeit das Auto, Bike, Ski, Klettersachen, etc. wird der Urbanist zum Abenteurer, zu jemanden der seiner Wanderlust nachgibt und sich in fremde, ursprüngliche Welten begibt. Auf Plattformen wie Pinterest oder Tumblr wird das einfache Leben zelebriert. Travelposts erfreuen sich ungeheurer Beliebtheit und stehen auch im schnelllebigen Internet für ein bisschen Nostalgie und Ursprünglichkeit.
Vereint uns also die Liebe zum Bergsport und zur Natur, so scheiden sich bei manchen die Geister hinsichtlich der passenden Unterkunft. Es gab eine Zeit, da war es das Non-Plus-Ultra in teuren Boutiquehotels zu übernachten, sich verwöhnen zu lassen und vor allem, sich verköstigen zu lassen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Boutiquehotels gibt es immer noch, keine Frage, doch Camping wird nicht mehr bloß mit Adiletten-tragenden, dickbauchigen deutschen Männern verbunden, die sich akribisch, um ihren Vorgarten am Wohnwagen kümmern und jedes Jahr zur selben Zeit, an den selben überlaufenen Campingplatz nach Jesolo fahren und mittags um 12 Uhr auch im Ausland auf ihr deutsches Weißbier bestehen. Camping ist nicht nur wilder geworden, sondern vor allem auch glamouröser, wie das Glamping (die Verbindung aus Glamour und Camping) belegt. Stars und solche, die es sein wollen mieten sich in Tipis, Jurten und alten Bahnwaggons ein und können so die Vorzüge des Campens mit den Vorzügen des Hotellebens verbinden. Denn sind wir doch einmal ehrlich, Camping ist nicht Jedermanns Sache und das ist auch wahrlich gut so. Es ist einfach eine Frage des Typs, ob man lieber umsorgt und verwöhnt werden möchte oder ob es einem nichts ausmacht, sein Zelt selbst aufzubauen, zu kochen und abzuspülen und sich mit plagenden Insekten rumzuärgern.
Doch nicht nur die Art des Campens hat sich verändert, auch die Campingplätze und Outdoorfirmen haben sich angepasst. Das Buch Cool Camping beispielsweise stellt die coolsten und außergewöhnlichsten Campingplätze in ganz Europa vor. Von Campingtristesse und eingezäunten Plätzen ist da keine Rede, vielmehr trumpfen die Plätze durch außergewöhnliche Landschaften, Ausstattungen oder Übernachtungsmöglichkeiten auf. Wilde Wiesen, Strände oder Bergmassive zählen dabei ebenso zu den Campingplätzen, wie Baumhäuser. Es wird auf ökologische Nachhaltigkeit und Freundlichkeit Wert gelegt und die Natur tritt als Erlebnisspielplatz in den Vordergrund. Allerdings haben sich nicht nur die Campingplätze an sich verändert, auch die Outdoorfimen haben das Potenzial erkannt und es gibt sogar einige Firmen, wie die kanadischen Camp Brand Goods, für die Camping nicht nur Zeitvertreib ist, sondern eine Lebenseinstellung. Mit ihrem Motto „If it’s not comfortable, it’s not Camp“, treffen sie den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Denn was ist entspannter und bequemer als Camping. Und da sind wir genau beim Thema.
Camping boomt. Campingvans haben einen unglaublichen Absatz und sind hipper als je zuvor. Man hat das Gefühl jedes Jahr kommen noch mehr Gimmicks und Ausrüstungen auf dem Markt, um uns das Leben in der Natur noch leichter zu machen oder unseren Campingvan noch ein bisschen praktischer und universell einsetzbarer zu machen. Es boomt allerdings nicht nur das Sommercamping, auch das Wintercamping erhält immer mehr Zulauf. Blickt man sich im Winter in einem Skigebiet auf dem Campingplatz um, so kann man es kaum glauben. Wohnwagen neben Wohnwagen und ein paar Verrückte schlafen sogar im Zelt. Die kleinen Kamine der Wohnmobile rauchen und die Ski werden im Vorzelt gewachst. Selbst bei dichtem Schneetreiben sieht man vereinzelt Menschen in Bademänteln und Winterstiefeln in die wohlig-warmen Sanitäranlagen eilen, um sich nach einem langen Skitag mit einer heißen Dusche zu entspannen. Zugegebener Maßen, das ist definitiv nicht Jedermanns Sache, aber wie schon oben gesagt, Camping ist Typsache.
Ganz ehrlich gesagt und frei heraus gesprochen, ich bin ein Camper. Ich bin es schon immer gewesen und werde es wohl auch immer sein. Zwar weiß auch ich die Vorzüge des Hotellebens zu schätzen. Ich mag es mich abends in gestärkte Bettwäsche fallen zu lassen, mich frühmorgens am Frühstücksbuffet zu bedienen und mich luxuriös und faul fühlen zu können. Doch mag ich es vielmehr abends lange unter freiem Sternenhimmel zu sitzen, die Erde unter meinen Füßen zu spüren, mit meinen Freunden bei Kerzenschein zu reden und Wein zu trinken und dann in meinen warmen Schlafsack zu kriechen. Ich mag es, wenn man morgens die Vögel zwitschern hört und wenn der Regen auf das Zeltdach prasselt, wenn man sich ganz entspannt mit den Nachbarn unterhalten kann und den ganzen Urlaub das gleiche Outfit tragen kann. Ich fühle mich beim campen freier und abenteuerlicher. Es ist nicht so steif. Es ist entspannter und selbst Topmanager sind am Campingplatz auch nur Leute in Badehose und Flip Flops. Die Tage sind beim Camping so abenteuerlich und rau, dass es mir nichts ausmacht abends selbst zu kochen und dass der Weg zur Toilette etwas länger dauert. Es gehört zum Abenteuer dazu. Die Vorstellung mein Zelt an jedem beliebigen Ort aufzuschlagen, macht für mich den Reiz aus. Es ist frei und unabhängig. Und genau diese wildromantische Vorstellung macht mich zum Camper, während es andere nur in Angst und Schrecken versetzt im Urlaub nicht umsorgt zu werden und womöglich noch mit anderen dieselbe Toilette zu teilen.
Doch was ist es, was uns immer wieder zurück in die Natur zieht? Wahrscheinlich unsere innere Natur. Wir benötigen die Wildheit und Ursprünglichkeit in unserem Leben. Schließlich zieht es die Menschen nicht nur in Abenteuer wie Camping, auch Luxushotels werben mit natürlichen Materialien, Öko-Schick und Bio-Küche. Unsere moderne Welt ist so technisch, so durchgestylt, dass es für uns immer wichtiger wird einen Ruhepol zu schaffen. Und da ist es ganz egal, ob wir lieber auf dem Campingplatz oder in dem kleinen feinen Hotel absteigen. Die Ruhe, die Natur, die uns das ursprüngliche und freie Leben zurückgeben das sind für uns, doch immer meist die Berge.